Skip to main content
Martin Dabrowski / Judith Wolf / Karlies Abmeier (Hrsg.)

Gleichheit, Ungleichheit, Gerechtigkeit

Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 2011 (Sozialethik konkret); 167 S.; kart., 19,90 €; ISBN 978-3-506-77368-5
Der im Bereich der Christlichen Sozialethik angesiedelte Band dokumentiert die Beiträge einer interdisziplinären Fachtagung an der Katholischen Akademie Franz-Hitze-Haus in Münster aus dem September 2010. Ausgehend von der Feststellung einer nachgerade universellen Relevanz des Themenfeldes soziale Gerechtigkeit für menschliche Gesellschaften sowie der Diagnose, dass besonders moderne Gesellschaften westlichen Typs immer weniger in der Lage sind, tatsächlich auch gerechte Lebensverhältnisse hervorzubringen, gruppieren sich die Beiträge um die zentrale Frage, „wie viel Ungleichheit eine Gesellschaft verträgt“ (7). Hierbei schwingen – in sozialwissenschaftlicher wie in ethischer Hinsicht – Aspekte der Gegenwartsdiagnostik ebenso mit wie Ansätze zur Ausgestaltung konkreter Politiken. Deutlich wird dieses Bemühen um eine vielseitige Verknüpfung von Gerechtigkeitsfragen etwa im Beitrag von Johanna Bödege-Wolf, die in ihrem Korreferat zu den Beiträgen von Groh-Samberg und Schröder den Begriff der Armut in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen stellt. Während Bödege-Wolf einerseits die politisch-administrativen Implikationen von relativen und absoluten Armutsbegriffen mit Blick auf die bundesrepublikanischen Debatten um Hartz IV und SGB II referiert, gelingt es ihr auch, die moralische Dimension eines staatlichen Hilfsgebots im Falle materieller Bedürftigkeit zu umreißen: „Der moralische Standpunkt zeichnet sich dadurch aus, dass man zum einen jeden einbezieht und dass man zum anderen für den oder die anderen [...] will, dass es ihnen gut geht.“ (46) Armut kann angesichts dieser Bestimmung des moralischen Standpunktes dann aus zweierlei Perspektiven betrachtet werden: Einmal aus der Perspektive des Rechtsstaates, der für alle seine Bürger verbindliche materielle Gleichheitsstandards festlegen kann und die – politisch ausgehandelt und beschlossen – auch gelten. Armut kann allerdings auch aus der Perspektive der Sozialethik betrachtet werden, die im Unterschied zur Politik nicht in der Öffentlichkeit verhandelt und allgemeinverbindlich entschieden, sondern die individuell bzw. intrinsisch verortet wird. Um hier nicht in die Individualisierungsfalle eines beliebigen Altruismus zu geraten, ist es demnach mit Blick auf die sozialpolitischen Debatten in der Bundesrepublik angezeigt, so Bödege-Wolf, neben der reinen politischen auch die ethische Dimension des Diskurses mitzudenken. Ethik und Politik wären dann nicht einander ausschließende, sondern komplementäre Felder der Sozialpolitik.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.3 | 2.342 | 2.325 | 2.35 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Martin Dabrowski / Judith Wolf / Karlies Abmeier (Hrsg.): Gleichheit, Ungleichheit, Gerechtigkeit Paderborn u. a.: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35118-gleichheit-ungleichheit-gerechtigkeit_42271, veröffentlicht am 07.06.2012. Buch-Nr.: 42271 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken