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Lothar de Maizière

Ich will, dass meine Kinder nicht mehr lügen müssen. Meine Geschichte der deutschen Einheit

Freiburg i. Br./Basel/Wien: Herder 2010; 340 S.; 2. Aufl.; geb., 19,95 €; ISBN 978-3-451-30355-5
Anders als der etwas provozierend wirkende Titel vermuten lassen könnte, ist das Buch keine wütende Abrechnung eines leider fast in Vergessenheit geratenen ehemaligen Politikers. Vielmehr legt der letzte DDR-Ministerpräsident ein empfehlenswertes Werk über „meine Geschichte der deutschen Einheit“ vor. Dadurch wird dem Leser das erleichtert, was Michail Gorbatschow im Vorwort für „dringend nötig“ erachtet: „auch die Sicht von Lothar de Maizière auf die Ereignisse von 1989/90 zur Kenntnis zu nehmen, um ein umfassendes Bild von der Geschichte zu erhalten“ (10). Aufgrund des Themas konzentriert sich de Maizière weitgehend auf die Zeit zwischen seiner Wahl zum Vorsitzenden der DDR-CDU im November 1989 und der Herstellung der staatlichen Einheit im Oktober 1990; es gibt nur einen kurzen Abstecher in die Zeit nach 1990 und einige, allerdings unverzichtbare Exkurse in die Zeit vor 1989. So bezeichnet sich de Maizière aufgrund seiner Arbeit als Anwalt „auch [als] Teil des Justizbetriebs mit seinen Willkürarten und nicht rechtstaatlichen Vorgehensweisen“ (16). Ähnlich unverblümt beschreibt er die Zustände in der DDR-CDU („erhebliche Summe der Partei von Götting veruntreut“ [59]), die anfangs sehr reservierte Haltung der West-CDU gegenüber der DDR-CDU („Einzig das Schweigen der Bundes-CDU war für mich völlig unverständlich“ [71]), sein Verhältnis zu Kohl (ein „große[r] Vertrauensbruch durch den Bundeskanzler“ [271]) und Rühe („Meine Argumente interessierten ihn nicht die Spur“ [75]). Lesenswert ist das Buch auch wegen der Einblicke in die Gefühlslage de Maizières, der mit Blick auf den 3. Oktober 1990 berichtet: „Ich fühlte mich wie ausgelaugt und war froh und dankbar, die Aufgabe, die ich nach dem 18. März 1990 übernommen hatte, mit Anstand und Würde zu Ende gebracht zu haben“ (315). Bei der Wiedervereinigung sei es allerdings auch zu Versäumnissen gekommen, indem etwa symbolische Aspekte (zum Beispiel Name und Hymne für vereintes Deutschland) vernachlässigt worden seien. Darin sieht de Maizière „eine der Ursachen für die Schwierigkeiten des späteren Einigungsprozesses“ (284).
Hendrik Träger (HT)
Dr., Politikwissenschaftler, Lehrkraft für besondere Aufgaben, Institut für Politikwissenschaft, Universität Magdeburg und Institut für Politikwissenschaft, Universität Leipzig.
Rubrizierung: 2.314 | 2.315 Empfohlene Zitierweise: Hendrik Träger, Rezension zu: Lothar de Maizière: Ich will, dass meine Kinder nicht mehr lügen müssen. Freiburg i. Br./Basel/Wien: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34938-ich-will-dass-meine-kinder-nicht-mehr-luegen-muessen_42013, veröffentlicht am 22.03.2012. Buch-Nr.: 42013 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken