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Heiner Flassbeck

Zehn Mythen der Krise

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2012 (edition suhrkamp digital); 61 S.; 4,99 €; ISBN 978-3-518-06220-3
Heiner Flassbeck, seit 2003 Chefvolkswirt der Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD), steht nicht in dem Ruf, ein Verfechter des wirtschaftswissenschaftlichen Mainstreams zu sein. Dessen Kernüberzeugungen – der Marktmechanismus sei generell allen staatlichen Aktivitäten überlegen, die Finanzkrise habe ihre Ursache in staatlicher Verschuldung und einer Politik des billigen Geldes – hält er für Mythen, die eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Krise des Jahres 2008 und deren Folgen verhindern. In der flüssig geschriebenen Streitschrift greift er zehn dieser Mythen auf, die seiner Ansicht nach typisch sind für ein Verständnis von Ökonomie, deren „Versuch, zur Erkenntnis zu gelangen, immer wieder und immer wieder erfolgreich von Glauben, von Ideologie und von reiner Interessenvertretung überlagert“ (51) wird. Zu diesen Mythen zählt für Flassbeck an erster Stelle die mangelnde Einsicht in die Fehlfunktion unregulierter Finanzmärkte, die systematisch falsche Preise erzeugen, weil sie mit Angebot und Nachfrage an den realen Märkten nichts mehr zu tun haben. Für ebenso gravierend hält er die Verdrängung der wirklichen Ursachen der Eurokrise. Weil eine „Währungsunion [...] zuvorderst eine Inflationsgemeinschaft“ (26) ist, sind nicht zu hohe Staatsschulden einiger kleiner Länder das zentrale Problem, sondern die stark ungleiche Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Union. Hier hat sich Deutschland durch eine Wirtschafts- und Finanzpolitik, die die gemeinsam verabredete Inflationsrate von zwei Prozent deutlich unterschritten hat, über Jahre hinweg einen Wettbewerbsvorsprung erarbeitet, der zu einem Auseinanderbrechen der Währungsunion führen muss, wenn von den schwächeren Ländern eine über erhebliche Lohnsenkungen zu realisierende „interne Abwertung“ (30) erwartet wird.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 4.43 | 3.5 | 2.2 | 2.61 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Heiner Flassbeck: Zehn Mythen der Krise Frankfurt a. M.: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34900-zehn-mythen-der-krise_41954, veröffentlicht am 20.09.2012. Buch-Nr.: 41954 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken