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Norbert Finzsch / Stefanie Coché (Hrsg.)

Religion und Politik in den Vereinigten Staaten von Amerika. 1760 bis 2011

Berlin: Lit 2012 (Studien zu Geschichte, Politik und Gesellschaft Nordamerikas 29); 207 S.; 24,90 €; ISBN 978-3-643-11430-3
Finzsch verweist einleitend auf die Terroranschläge von 9/11, die seiner Meinung nach die Diskussion über das Verhältnis von Religion, säkularer Verfassung und Moderne neu entfacht haben. Ergänzend zu diesen Überlegungen wäre der am Buchende platzierte Aufsatz Gerlinde Groitls zur Rolle von Religion in den internationalen Beziehungen aufgrund seines theoretisch grundlegenden Charakters ebenfalls besser am Anfang des Tagungsbandes aufgehoben gewesen, zumal er nicht auf die USA konzentriert ist. Die Vernachlässigung des Faktors Religion in den politikwissenschaftlichen Theorien führt Groitl auf die Unterbelichtung der individuellen Akteursdimension und ihrer sozialen Kontexte zurück. Frank Kelleters erhellende Analyse der Beziehung zwischen religiösen und aufklärerischen Diskursen im revolutionären Amerika ergibt ein ambivalentes Fazit. Das Ineinandergreifen der sozialen Räume Politik und (christlich-puritanisch geprägter) Religion habe einerseits zur Entwicklung einer Nationalmentalität beigetragen, jedoch andererseits auch Konkurrenz stimuliert. Denn inspiriert von Thomas Jeffersons „Virginia Bill for Establishing Religious Freedom“ (1779) verbietet die US-Verfassung die Errichtung einer Staatskirche, wodurch zwar nicht Politik und Religion, jedoch nationale und klerikale Institutionen kategorisch voneinander getrennt wurden. Das Gros der Konfessionen unterstützte eine säkulare Verfassung, auch wenn der Konstitutionalismus metaphysische Diskurse unter permanenten Anpassungsdruck setzte. Umgekehrt bemächtigten sich politische Akteure religiöser Sprachmuster, um der neuen Nation eine transzendentale Legitimationsgrundlage zu verschaffen. Herausragend ist der Beitrag von James Gilbert, der Wissenschaft und Religion in den USA als zweieiige Zwillinge charakterisiert. Zwar habe die US-Gesellschaft eine generelle Trennung beider Sphären durchgesetzt, die an eifersüchtig bewachten Grenzen aufeinandertreffen. Doch werde diese Trennung mitunter attackiert – man denke nur an die vehementen Kontroversen um Kreationismus und Intelligent Design. Wissenschaft und technologische Projekte werden daher als Konstante der US-Kultur häufig mit religiös-moralischen Argumenten herausgefordert. Der Band dokumentiert fünf Beiträge einer im Mai 2008 in Krefeld abgehaltenen Konferenz.
Ulrich Heisterkamp (HEI)
Politikwissenschaftler, Doktorand am Institut für Politikwissenschaft der Universität Regensburg.
Rubrizierung: 2.64 | 2.23 | 4.22 Empfohlene Zitierweise: Ulrich Heisterkamp, Rezension zu: Norbert Finzsch / Stefanie Coché (Hrsg.): Religion und Politik in den Vereinigten Staaten von Amerika. Berlin: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34890-religion-und-politik-in-den-vereinigten-staaten-von-amerika_41942, veröffentlicht am 08.03.2012. Buch-Nr.: 41942 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken