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Klaus Brummer / Stefan Fröhlich (Hrsg.)

Zehn Jahre Deutschland in Afghanistan

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2011 (Sonderheft der Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik 3/2011); 310 S.; brosch., 39,95 €; ISBN 978-3-531-18449-4
Das Afghanistan-Engagement Deutschlands wird in der medialen Öffentlichkeit mehrheitlich mit dem militärischen Einsatz der Bundeswehr gleichgesetzt. Wie verkürzend diese Perspektive ist – und wie sich dabei Fehlinterpretationen potenzieren, je länger man seinen Blick nicht auch für die anderen Elemente dieses Einsatzes öffnet – zeigt das Spektrum von erkenntnisleitenden Fragen, die in diesem Band gestellt und beantwortet werden. Dass dabei deutlich wird, wie wenig der durch die 9/11-Solidarität beförderte politische Wille von 2001 mit den politischen Realitäten einer Aufstandsbekämpfung von 2012 in Einklang zu bringen ist, ist nicht überraschend. Mitunter sehr detailliert und akribisch zeigen die Autoren auf, weshalb beispielsweise das viel gelobte deutsche PRT-Konzept (PRT = Provincial Reconstruction Teams) nicht die Erfolgsgeschichte bietet, die in den offiziellen Verlautbarungen immer wieder zum Ausdruck gebracht wird. Es wird gezeigt, dass das deutsche Engagement in den Vereinten Nationen sehr hoch ist, es aber eben an Durchzugskraft gerade in dem Moment verliert, wie das Ende der ISAF-Mission beschlossen ist und die Bedeutung des UN-Einsatzes in Afghanistan konsequent ansteigen muss. Diese und andere Schieflagen zwischen Zielvorstellungen und Praxis im Einsatz sind nicht monokausal begründbar, was in den Beiträgen sehr eindrucksvoll und richtig aufgezeigt wird. Der ISAF-Einsatz und das deutsche Engagement in Afghanistan sind noch lange nicht zu Ende; angesichts der notwendigen strategischen Kurswechsel der vergangenen Jahre wären Gedanken zu „Lessons Learned“ für diesen Einsatz sehr verfrüht. Es ist eine der Stärken dieses Sammelbandes, eine solche Diskussion vorbereiten bzw. unterstützen zu können. Was aber jetzt schon deutlich wird, z. B. bei der Analyse der Bundestagsdebatten zu Afghanistan, ist die Differenz zwischen den eigenen politischen Ansprüchen und Absichten und dem zivil-militärischen Einsatzerleben: Ersteres wird mitunter viel zu lange nicht kritisch hinterfragt, und Letzteres wird viel zu oft als Ersatz für eine tatsächlich notwendige Strategiedebatte missbraucht. Die Herausgeber sehen zumindest ein Risiko für die Zukunft gegeben: „Die Nichtbeteiligung an multinationalen Missionen ist für Deutschland jederzeit möglich. [...] Eine solche Position ist jedoch mit bündnispolitischen Kosten verbunden [...]. Die Erwartung wäre somit, dass sich [...] die unstete und reaktive Haltung Deutschlands in Fragen der Beteiligung oder Nichtbeteiligung an multinationalen Einsätzen auch in Zukunft fortsetzen wird.“ (27)
Axel Gablik (AG)
Dr., Historiker.
Rubrizierung: 4.21 | 4.41 | 2.68 Empfohlene Zitierweise: Axel Gablik, Rezension zu: Klaus Brummer / Stefan Fröhlich (Hrsg.): Zehn Jahre Deutschland in Afghanistan Wiesbaden: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34680-zehn-jahre-deutschland-in-afghanistan_41684, veröffentlicht am 15.03.2012. Buch-Nr.: 41684 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken