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Heinrich Wille

Ein Mord, der keiner sein durfte. Der Fall Uwe Barschel und die Grenzen des Rechtsstaates

Zürich: Rotpunktverlag 2011; 382 S.; brosch., 24,- €; ISBN 978-3-85869-462-1
Der Fall gehört zu den großen Politikskandalen in Deutschland. Am 11. Oktober 1987 wurde der ehemalige Schleswig-Holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel tot in einem Genfer Hotelzimmer aufgefunden. Die Vorgeschichte schien die Annahme, es handele sich um einen Selbstmord, überaus wahrscheinlich zu machen. Im seinerzeitigen Wahlkampf sollte Barschels Gegenkandidat Engholm durch eine Schmutzkampagne geschwächt werden, für deren Inszenierung Barschel – nicht zuletzt durch eine Spiegel-Titelgeschichte – verantwortlich gemacht wurde. In der Zuspitzung der Affäre verlor Barschel den Rückhalt in seiner eigenen Partei und sah sich am Ende seiner politischen Laufbahn. Im weiteren Verlauf erhielt der Skandal jedoch zusätzliche, überraschende Facetten – bis hin zum Rücktritt Engholms 1993 –, die die anfangs klare Schuldzuweisung zweifelhaft erschienen ließen. Ein ähnliches Schicksal widerfuhr der Ermittlungsarbeit in diesem Fall. Zuständig war zunächst die Genfer Staatsanwaltschaft, ab 1994 führte dann die Lübecker Staatsanwaltschaft unter dem Leitenden Oberstaatsanwalt Heinrich Wille eigene Ermittlungen durch. Wille tat dies akribisch und verbissen – und aus seiner ausführlichen Darstellung der Arbeiten bis zu deren Einstellung 1998 gewinnt man zuweilen den Eindruck, dass seine Verbissenheit auch Reaktion auf die mehrheitlich von Medien und Politik vertretene Selbstmordthese war. Immerhin konnten die Lübecker Ermittlungen zeigen, dass die Genfer Behörden wichtige Spuren entweder übersehen oder nur unzureichend gesichert hatten. Wille selbst ging – gegen viele Widerstände auch des Kieler Justizministeriums – etlichen Hinweisen nach, die Barschel mit Machenschaften des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, mit internationalem Waffenhandel und schließlich mit der illegalen Lieferung von Bauplänen für U-Boote einer Kieler Werft nach Südafrika in Verbindung brachten. Kein Verdacht ließ sich in dem langen Verfahren erhärten. Wille schließt mit dem Resümee: „Der Hergang beim Tod von Uwe Barschel lässt sich nicht abschließend rekonstruieren“ (340), die offizielle Selbstmordthese jedoch hält er für weitgehend entkräftet.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.3 | 2.313 | 2.331 | 2.323 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Heinrich Wille: Ein Mord, der keiner sein durfte. Zürich: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34668-ein-mord-der-keiner-sein-durfte_41660, veröffentlicht am 09.08.2012. Buch-Nr.: 41660 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken