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Smaro Tassi

Gesetzgebung als Herrschaftstechnik. Eine Studie auf der Grundlage von Michel Foucaults Werk "Die Wahrheit und die juristischen Formen"

Marburg: Tectum Verlag 2011 (Rechtswissenschaften 47); 98 S.; pb., 24,90 €; ISBN 978-3-8288-2648-9
Foucault hat in seinen machtanalytischen Arbeiten – die 1973 in Brasilien gehaltenen Vorträge „Die Wahrheit und die juristischen Formen“ entstammen dem theoretischen Umfeld von „Überwachen und Strafen“ – stets den mikrophysikalischen Charakter der Macht hervorgehoben und sie den großtheoretischen oder verfassungspolitischen Konzeptionen von Macht im Sinne von Herrschaft gegenübergestellt. Soziale Phänomene lassen sich nicht vom juristischen Standpunkt aus verstehen, wie Foucault am Beispiel der Transformation von Strafsystemen eindringlich veranschaulichte. Dennoch mag es einen gewissen Reiz haben, Foucault aus einer rechtswissenschaftlichen Perspektive zu diskutieren, gerade weil für ihn eine Disziplinargesellschaft nicht auf Recht, Gesetz und Strafe, sondern auf Technik, Norm und Kontrolle basiert. Es ist jedoch vollkommen evident, wie schwer sich die von ihm beschriebenen Prozesse in der Sprache der Dogmatik erfassen lassen. Obwohl es der Autorin grundsätzlich hoch anzurechnen ist, dass sie diesen Versuch unternimmt, an Foucault anzuknüpfen, muss das Ergebnis bezweifelt werden. Denn dort, wo sie nicht den Inhalt der Vorlesungsreihe referiert, geht sie bald eigene Wege, etwa wenn sie die Begriffe Gesellschaft, Gesetz und Macht aus einer anthropozentrischen (!) Sicht bestimmt und glaubt, hier im Sinne Foucaults zu argumentieren. Auch die anschließende rechtsdogmatische Beurteilung hat mit der Diskursanalyse Foucaults nur wenig gemein, sodass es dann auch wenig überrascht, dass Tassi zu dem sehr allgemeinen Schluss kommt, dass Gesetzgebung eine Herrschaftstechnik verkörpert. Dass die vorgebrachten Argumente mit Foucaults Darstellung diskursiver Formationen wenig zu tun haben – so versteht Tassi Macht als repressiv und nicht produktiv – und die Autorin die vorhandene Literatur zum Thema (im englischen Sprachraum: Ben Golder, Peter Fitzpatrick oder Alan Hunt, im deutschen: Christian Schauer) nicht nutzt, ist bedauerlich; dass jedoch das Verständnis der nicht immer ganz stringenten Argumentation auch noch durch ein dürftiges Lektorat erschwert wird, mehr als ärgerlich.
Frank Schale (FS)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 5.41 | 5.46 Empfohlene Zitierweise: Frank Schale, Rezension zu: Smaro Tassi: Gesetzgebung als Herrschaftstechnik. Marburg: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34635-gesetzgebung-als-herrschaftstechnik_41620, veröffentlicht am 23.02.2012. Buch-Nr.: 41620 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken