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Conrad Schetter / Jörgen Klußmann (Hrsg.)

Der Taliban-Komplex. Zwischen Aufstandsbewegung und Militäreinsatz

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2011; 370 S.; kart., 29,90 €; ISBN 978-3-593-39504-3
Durch die Entscheidung, 2014 mit der Rückverlegung der Truppen aus Afghanistan zu beginnen, stellen sich neue Fragen zur Transformation des politischen Systems in dem Land, die in der deutschsprachigen wissenschaftlichen Literatur bisher kaum gestellt werden. Wird sich die durch externe Einflussnahme eingeführte Ordnung überhaupt als überlebensfähig erweisen? Der gegenwärtige Präsident Karsai kann sich laut Verfassung nicht erneut um das Amt bewerben, wie also wird sich der Wechsel im Präsidentenamt auswirken? Der Tagungsband, der aus einer Veranstaltung der Evangelischen Akademie Rheinland im Frühjahr 2010 hervorgeht, ist mit der Darstellung und Analyse des Taliban-Komplexes in zehn Beiträgen jenseits aller Klischees einem Phänomen gewidmet, das über die aktuelle politische Bedeutung hinaus auch eine politisch-strukturelle Relevanz hat. Schetter und Klußmann ordnen in ihrer programmatischen Einleitung den Konflikt ein. Mit der Beschreibung der konstitutiven Elemente der Taliban, der Einflussnahme in bestimmten Konfliktfeldern und des militärischen Einsatzes wird eine Bewegung und Bürgerkriegspartei skizziert, die sich auf Dauer auch gegen die Vorstellungen der internationalen Gemeinschaft durchzusetzen versteht. Gerade Fragen der Verschränkung von ethnischen und lokalen Konflikten mit Aspekten der nationalen Integrität bieten Anknüpfungspunkte, die Forschungen zu Modernisierung, Staatswerdung und Bedeutung politischer Kulturen ebenso berühren wie Analysen zum Konfliktmanagement und Interventionismus. Die verbindende ideologische Ausrichtung anhand eines umfassenden Systems von Gesetzen und deren Interpretation auf der Basis der Stammeskultur der Paschtunen arbeitet Florian Broschk heraus. Dass gerade die Stammeskultur als Ausdruck der Gebietsherrschaft ein zentrales Problem der afghanischen Gesellschaft darstellt, macht Schetter deutlich. Sie sei ein Zeichen dafür, dass sich verschiedene Konfliktlinien überschneiden, obwohl sie für ein besseres Verständnis der Entwicklung eigentlich einzeln betrachtet werden müssten. Der Bedeutung kriegerischer Auseinandersetzung für die weitere Entwicklung des Landes wird der Band u. a. dadurch gerecht, dass die Veränderungen des internationalen Mandats (Winfried Nachtwei) sowie Fragen der „Feinderkennung“ der ISAF-Truppen (Philipp Münch) diskutiert werden.
Jörg Jacobs (JJ)
Dr., Politikwissenschaftler, Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation, Strausberg.
Rubrizierung: 2.68 | 2.25 | 4.41 | 4.21 Empfohlene Zitierweise: Jörg Jacobs, Rezension zu: Conrad Schetter / Jörgen Klußmann (Hrsg.): Der Taliban-Komplex. Frankfurt a. M./New York: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34477-der-taliban-komplex_41409, veröffentlicht am 12.07.2012. Buch-Nr.: 41409 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken