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Jörg Kronauer

"Schlesien bleibt unser!" Vertriebenenverbände und die extreme Rechte

Münster: Unrast 2011 (unrast transparent: rechter rand 8); 69 S.; 7,80 €; ISBN 978-3-89771-110-5
Dass die deutschen Vertriebenenverbände tendenziell eher am rechten Rand des politischen Spektrums operieren, ist schon beinahe ein Allgemeinplatz. Wie weit sie indes – durch institutionelle, ideologische oder historische Verbindungslinien – ein integraler Bestandteil der politischen Rechten sind, ist damit aber noch nicht gesagt. Indem Kronauer in seinem Band diese Verbindungslinien aufdeckt, leistet er ein Stück politische Aufklärung. Von der Gründung der Vertriebenenverbände in der unmittelbaren Nachkriegszeit reichen seine Recherchen über die aktuellen Verknüpfungen zu sogenannten Neuen Rechten bis hin zu einer historisch-begrifflichen Analyse der politischen Bedeutung von Vertreibung. Entgegen der ursprünglichen, zwischen 1945 und 1947 gebräuchlichen Praxis, in der von „Flüchtlingen, von Aussiedlern oder von Umsiedlern“ (15) die Rede war, kam ab 1947 der Begriff Vertriebene auf; hierin, so Kronauer, werde das Unrecht der Vertreibung artikuliert, jedoch werden damit die vorausgegangenen Gräuel der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik in Osteuropa in den Hintergrund gedrängt. Durch diese auf die Behauptung von Einflusssphären abzielende Geschichtsverzerrung und durch den nicht minder unsäglichen Versuch einer wechselseitigen Aufrechnung von Unrecht ergibt sich in der Folge auch die hohe Affinität zur sogenannten Neuen beziehungsweise zur extremen Rechten: „Kontakte zur extremen Rechten findet man in den Vertriebenenverbänden schon seit je. Sie ergeben sich aus dem Bemühen der Vertriebenen, den deutschen Einfluss in den ehemaligen Ostgebieten des verblichenen Deutschen Reichs zu stärken, und aus ihrer Praxis, Ansprüche gegenüber den Staaten Ost- und Südosteuropas zu erheben.“ (5) Das vom Autor in diesem Zusammenhang beschriebene Ausmaß, in dem die Vertriebenenverbände von der Bundes- wie von der Länderpolitik finanziell und durch persönliche Aufwartungen bei Jahrestreffen immer wieder unterstützt und hofiert werden, macht vor dem Hintergrund des bei den Verbänden latent präsenten großdeutschen Denkens betroffen. Hier täte eine breitere öffentliche Debatte Not – wofür Kronauer mit seinem kleinen, mitunter knappen, dafür aber immer gut und allgemein verständlich geschriebenen Band erste Informationen und Diskussionsansätze zusammengetragen hat.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.331 | 2.37 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Jörg Kronauer: "Schlesien bleibt unser!" Münster: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34467-schlesien-bleibt-unser_41399, veröffentlicht am 06.12.2012. Buch-Nr.: 41399 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken