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Stéphane Hessel

Tanz mit dem Jahrhundert. Erinnerungen. Aus dem Französischen von Roseli und Saskia Bontjes van Beek

Berlin: List Taschenbuch 2011; 400 S.; 9,99 €; ISBN 978-3-548-61087-0
Stéphane Hessel wurde dem deutschen Publikum 2011 mit seinen Essays „Empört Euch“ und „Engagiert Euch“ bekannt – seine Aufrufe an die junge Generation, ihre Gesellschaft zu gestalten, waren so überzeugend, weil er selbst auf ein aktives Leben zurückblicken kann. An seinen zwischen 1994 und 1996 verfassten Memoiren fällt vor allem auf, dass er immer seiner tiefen Überzeugung folgte, dass die Welt eine bessere sein könnte. Als Beamter, Diplomat und Regierungsberater scheute er keine Mühe, auch wenn wenig Aussicht auf unmittelbaren Erfolg bestand – wie beispielsweise 1990 bei dem wiederholten Versuch, diesmal im Auftrag von Premierminister Michel Rocard, die französische Afrikapolitik zu modernisieren. Immerhin konnte er dann auf Basis dieser Erkenntnisse Burkina Faso beraten, das gerade dabei war, sich eine neue Verfassung zu geben. Hessel wurde 1917 in Berlin geboren und zog schon als Kind mit seinen Eltern nach Paris – die Beziehung seiner Eltern, des Schriftstellers Franz Hessel und der Modejournalistin Helen, diente François Truffaut als Vorlage für seinen Film „Jules und Jim“. Die Wirklichkeit allerdings war prosaischer und wandelte sich mit der deutschen Besetzung Frankreichs auch für Hessel in eine Katastrophe. Ausgebildet in England, wurde er als Mitglied der Résistance 1944 in Paris verhaftet und ins Konzentrationslager Buchenwald deportiert; er überlebte nur, weil er mit einem sterbenden Franzosen die Identität tauschen konnte. Nach Kriegsende begann Hessel seine diplomatische Karriere bei den Vereinten Nationen, wurde 1948 Sekretär bei der UN-Menschenrechtskommission und arbeitete an der Charta der Menschenrechte mit. Wer sich mit den Vereinten Nationen beschäftigt, wird aus diesen Erinnerungen interessante Details herauslesen können. Dies gilt ebenso für an Afrika Interessierte – Hessel hat sein Herz erkennbar an den Kontinent, auf dem er für die Vereinten Nationen und für Frankreich arbeitete, gehängt. Bis in die Gegenwart hinein beschäftigen ihn Fragen der Migration (u. a. auch die Stellung der meist aus Afrika illegal eingewanderten Sans Papiers in Frankreich). Insgesamt bieten diese Lebenserinnerungen eine kurzweilige und aufschlussreiche Lektüre über einen Menschen, der zwar meist dem glatten politischen Parkett fern blieb, sich von der zweiten Reihe aus aber der Förderung von Entwicklung, gerechten Beziehungen und Menschenrechten verschrieben hat.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.1 | 4.1 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Stéphane Hessel: Tanz mit dem Jahrhundert. Berlin: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34464-tanz-mit-dem-jahrhundert_41391, veröffentlicht am 27.01.2012. Buch-Nr.: 41391 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken