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Karin Gille-Linne

Verdeckte Strategien. Herta Gotthelf, Elisabeth Selbert und die Frauenarbeit der SPD 1945-1949

Bonn: Verlag J. H. W. Dietz Nachfolger 2011 (Politik- und Gesellschaftsgeschichte 90); 462 S.; hardc., 48,- €; ISBN 978-3-8012-4206-0
Diss. Hagen; Begutachtung: P. Brandt. – Elisabeth Selbert ist eine der sogenannten vier Mütter des Grundgesetzes und gilt mit Biografien und Aufsätzen zu ihrer Person als verhältnismäßig gut erforscht. Die Autorin stellt jedoch nicht sie, sondern Herta Gotthelf (1902-1963) im Titel des Bandes nach vorne. Dabei geht es um weitaus mehr als mit einer bloßen Pointierung eine Akteurin des Hintergrunds zu würdigen. Anhand von Archivstudien und Nachlassauswertungen unternimmt Gille-Linne nicht weniger als eine gekonnte Dekonstruktion und Neubewertung zentraler Aspekte um die historischen Rollen Selberts und Gotthelfs. Die Autorin referiert, dass Selbert bisher im „kollektiven feministischen Gedächtnis“ (9) als Einzelkämpferin dargestellt werde, die sich nicht wegen, sondern trotz der SPD und dank überparteilicher Frauensolidarität mit ihrer Arbeit im Parlamentarischen Rat durchsetzen konnte. Doch zahlreiche Ungewissheiten, die bisher vernachlässigt wurden, lassen Gotthelf in den Blick rücken. Gotthelf leitete seit 1946 die Frauenarbeit der SPD in den westlichen Besatzungszonen, hatte bis 1958 das Amt der Frauensekretärin der SPD inne und arbeitete eng mit Kurt Schumacher und Erich Ollenhauer zusammen. Gille-Linne macht plausibel, dass es der Frauensekretärin der SPD zu verdanken ist, dass Selbert überhaupt in den Parlamentarischen Rat gelangte und bereits zuvor „zur in der SPD anerkannten Expertin für Frauenrechte“ (206) aufgebaut wurde. In ihrem eigenen hessischen Landesverband bei der Berufung der Mitglieder für den Parlamentarischen Rat übergangen, war es Gotthelf, die zusammen mit Ollenhauer dafür sorgte, dass Selbert von Niedersachsen entsandt wurde. In einem Brief kennzeichnet Gotthelf diesen Vorschlag nicht nur als ihren eigenen, sondern fordert Selbert auch auf, ihn nicht etwa abzulehnen: „Mach uns also keinen Strich durch die Rechnung“ (215). Auch die Masse an Eingaben an den Rat, als es schließlich um die Formulierung des Art. 3 GG ging, ist offenbar nicht unwesentlich auf Gotthelfs „sozialistisches Netzwerk“ (298) zurückzuführen.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.36 | 2.331 | 2.313 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Karin Gille-Linne: Verdeckte Strategien. Bonn: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34393-verdeckte-strategien_41301, veröffentlicht am 12.04.2012. Buch-Nr.: 41301 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken