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Astrid Lorenz (Hrsg.)

Ostdeutschland und die Sozialwissenschaften. Bilanz und Perspektiven 20 Jahre nach der Wiedervereinigung

Opladen/Berlin/Farmington Hills: Verlag Barbara Budrich 2012; 503 S.; 69,90 €; ISBN 978-3-86649-424-4
Runde Jahrestage historischer Ereignisse bieten einen guten Anlass, sich intensiver mit diesen zu beschäftigen; so war es auch 2010 mit der Einheit Deutschlands. Dabei verfolgt die Politikwissenschaftlerin Lorenz mit dem Sammelband zwei Anliegen: erstens die Bereitstellung von „Informationen und Deutungen […], um die Wandlungsprozesse besser erkennen und verstehen zu können“ und zweitens das Ausloten, „was Ostdeutschland überhaupt ist“ (15). Das gelingt dem interdisziplinären Autorenteam auf beeindruckende Weise, indem es eine Bilanz der Wiedervereinigung aus vier sozialwissenschaftlichen Blickwinkeln darstellt: Zunächst werden zeithistorische Bestandaufnahmen vorgelegt; darin wird etwa konstatiert, dass „die beiden deutschen (Teil)Gesellschaften […] erst wieder zu einer Nation zusammenwachsen“ mussten und dieser Prozess „noch nicht beendet [ist]“ (41). Außerdem erscheine „der Osten in manchen Ansätzen schon als der modernere Teil Ostdeutschlands“ (55). Im Anschluss werden aktuelle Befunde der Forschung präsentiert, wobei zu der Frage, ob der Osten denn nun eine Vorreiter-Funktion besitzt, unterschiedliche Einschätzungen zu finden sind. Dieser Teil enthält auch durchaus diskussionswürdige Statements wie das von Eckhard Jesse: „Offenkundig ist ‚der’ Osten bisher nicht demokratisch voll konsolidiert“ (110). Außerdem geben die Autoren Prognosen für die künftige Entwicklung in Ost und West ab; so hält Gert Pickel „eine rasche Angleichung der politischen Einstellungen in den nächsten Jahren [für] unwahrscheinlich“ (185). Im dritten und vierten Teil des Buches stehen Aspekte der Theoriebildung und der Methodik im Fokus der Betrachtungen. So fragt Roland Czada: „Kann man Ostdeutschland noch als eine sinnvolle Analyseeinheit betrachten?“ (327) Susanne Pickel fordert, dass „West-Ost-Vergleiche durch innerdeutsche Differenzierungen, aber auch durch internationale Vergleichsperspektiven ergänzt werden“ (395) sollten. Diese Punkte und der Fragenkatalog am Ende des Buches liefern gute Inspirationen für die (Ost-)Deutschland-Forschung.
Hendrik Träger (HT)
Dr., Politikwissenschaftler, Lehrkraft für besondere Aufgaben, Institut für Politikwissenschaft, Universität Magdeburg und Institut für Politikwissenschaft, Universität Leipzig.
Rubrizierung: 2.3 | 2.35 | 2.315 | 2.325 Empfohlene Zitierweise: Hendrik Träger, Rezension zu: Astrid Lorenz (Hrsg.): Ostdeutschland und die Sozialwissenschaften. Opladen/Berlin/Farmington Hills: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34344-ostdeutschland-und-die-sozialwissenschaften_41224, veröffentlicht am 12.07.2012. Buch-Nr.: 41224 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken