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Matthias Dahlke

Demokratischer Staat und transnationaler Terrorismus. Drei Wege zur Unnachgiebigkeit in Westeuropa 1972-1975

Wien/München: Oldenbourg Verlag 2011 (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 90); 462 S.; 44,80 €; ISBN 978-3-486-70466-2
Geschichtswiss. Diss. HU Berlin. – Die staatlichen Reaktionen auf terroristische Geiselnahmen und Entführungen in der ersten Hälfte der 1970er-Jahre in der Bundesrepublik, Österreich und den Niederlanden stehen im Mittelpunkt dieser Darstellung. Der Autor hat je zwei Fälle pro Land ausgesucht, anhand derer er nachzeichnet, wie die Länder ihren Umgang mit der neuen Terrorismusbedrohung entwickelten. Ausgeblendet werden dabei Flugzeugentführungen, deren Rückgang bzw. Ausbleiben Dahlke dem erfolgreichen Einsatz von Skymarshalls, Gepäckdurchsuchungen und Metalldetektoren zuschreibt. Nicht erwähnt wird, dass etwa die Lufthansa mutmaßlich Schutzgelder zahlte, wie Willi Winkler („Der Schattenmann“, siehe Buch-Nr. 39912) recherchiert hat und was ein gänzlich anderes Licht auf die Formen der Terrorbekämpfung wirft. Zudem ist die Unterscheidung zwischen nationalem und transnationalem Terrorismus, wie von Dahlke vorgenommen, nicht überzeugend – will er sich doch auf den transnationalen Terrorismus konzentrieren und zählt die „Bewegung 2. Juni“, die den Berliner CDU-Politiker Peter Lorenz entführte, dazu. So gesehen dürfte es kaum eine rein nationale linksextreme Terrorgruppe gegeben haben. Die Nachzeichnung der staatlichen Reaktionen auf die terroristischen Taten bleibt von diesen problematischen Einordnungen unberührt, nachzulesen ist im Detail, wer in welcher Regierung die Federführung übernahm. Trotz zahlreicher länderspezifischer Unterschiede, verschiedener Erfahrungen und eigenwilliger Politiker ist das Ergebnis für die drei Länder das gleiche – sie entwickelten gegenüber linksextremen Terroristen eine unnachgiebige Haltung. In der Bundesrepublik war dies beispielsweise eine Konsequenz daraus, dass man zwar im Austausch mit inhaftierten Terroristen die Freilassung von Peter Lorenz erreicht hatte, einen Monat später – offenbar angesichts dieses „Erfolges“ – mit einer erneuten Geiselnahme in der Stockholmer Botschaft konfrontiert war. Bundeskanzler Schmidt und Oppositionsführer Kohl vollzogen „einen radikalen Sinneswandel“ (160) und lehnten jede Verhandlung ab. Dahlke hält abschließend fest, dass es den Terroristen in keinem Fall gelungen ist, „die Grundstrukturen dieser Demokratien zu erschüttern“. Die Gelassenheit, mit der damals das öffentliche Leben fortgesetzt worden sei, könne ein Vorbild sein, „auch künftigen Herausforderungen durch Terroristen die Stirn zu bieten“ (434).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.254.412.372.3132.42.61 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Matthias Dahlke: Demokratischer Staat und transnationaler Terrorismus. Wien/München: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34292-demokratischer-staat-und-transnationaler-terrorismus_41159, veröffentlicht am 22.12.2011. Buch-Nr.: 41159 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken