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Ulrich Lappenküper

Mitterrand und Deutschland. Die enträtselte Sphinx

München: Oldenbourg Verlag 2011 (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 89); 385 S.; 49,80 €; ISBN 978-3-486-70511-9
„Anders als de Gaulle verstand Mitterrand es fast sein Leben lang, sich als großer Europäer und als Protagonisten deutsch-französischer Freundschaft in Szene zu setzen.“ (353) War dies glaubwürdig einer tiefen Überzeugung geschuldet oder doch nur die Kulisse, die ein machtpolitischer Taktiker entworfen hatte? Lappenküper, der an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr Neuere Geschichte lehrt und Geschäftsführer der Otto-von-Bismarck-Stiftung in Friedrichsruh ist, nähert sich dem französischen Politiker nicht ohne Sympathie, aber dennoch unverkennbar kritisch. Seine chronologisch aufgebaute Darstellung, in der Mitterrands Haltung zu Deutschland und die von ihm mitgeprägten deutsch-französischen Beziehungen im Mittelpunkt stehen, stützt Lappenküper auf ein außerordentlich umfassendes Quellenstudium und rekonstruiert so aus dieser spezifischen thematischen Perspektive die Persönlichkeit Mitterrands. Seine Außenpolitik, das wird sehr deutlich, beruhte „auf einigen wenigen Ideen [...], zu denen die nationale Unabhängigkeit, das Gleichgewicht der militärischen Blöcke, der Aufbau Europas, das Recht der Völker auf Selbstbestimmung und die Entwicklung der Dritten Welt gehörten“ (151). Von einer klar konturierten Deutschlandpolitik habe er bei seinem Amtsantritt als Präsident 1981 aber keine Vorstellung gehabt. Interessant ist gleichwohl, dass der Staatspräsident sogleich eine Studie in Auftrag gab, „die um die ‚zentrale Hypothese’ angeordnet werden sollte, dass das sowjetische Imperium vor Ende des Jahrtausends zusammenbrechen könne. Dann schien auch die Öffnung des Tors zur deutschen Einheit möglich“ – und ebendiese würden die Deutschen wollen, sagte „ihm seine national-französische Sicht der Dinge“ (152). Es zeigt sich allerdings, dass Mitterrand damit keineswegs auf den Fall der Mauer vorbereitet war, sondern wieder – wie so oft zuvor in seinem politischen Leben – mehr aus der Gegenwart heraus Politik betrieb. Und so wie er zuvor aus Kalkül die Nähe zu Deutschland gesucht hatte (beispielsweise brauchte Frankreich angesichts der von Mitterrand durchgesetzten Verstaatlichungen wirtschaftliche Unterstützung), dachte er 1989 nun zum Wohle Frankreichs die deutsche Einheit zumindest verschleppen zu können. Erst nach geschaffenen Tatsachen und einer Weiterentwicklung der EU „hielt eine fast sentimentale Attitüde in seinem Verhältnis zu Deutschland Einzug“ (353) und er profilierte sich zum Wahrer der deutsch-französischen Freundschaft.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.1 | 2.61 | 4.22 | 2.315 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Ulrich Lappenküper: Mitterrand und Deutschland. München: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34290-mitterrand-und-deutschland_41156, veröffentlicht am 22.12.2011. Buch-Nr.: 41156 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken