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Sebastian Huhnholz

Dschihadistische Raumpraxis. Raumordnungspolitische Herausforderungen des militanten sunnitischen Fundamentalismus

Berlin: Lit 2010 (Politische Theorie 12); XIV, 154 S.; 24,90 €; ISBN 978-3-643-10546-2
Masterarbeit HU Berlin; Betreuung: H. Münkler, K. Fischer. – Der Dschihadismus hat es trotz seiner militärischen und technischen Unterlegenheit und trotz seines Status als sozio-kulturell entfremdete und stark minoritäre Bewegung bisher immer wieder verstanden, sowohl den verstärkten innenpolitischen Sicherheitsmaßnahmen als auch den militärisch-imperialen Eindämmungsversuchen zu widerstehen. Konstitutiv für den Erfolg des politischen Projekts des militanten sunnitischen Fundamentalismus neosalafistischer Prägung – kurz: Dschihadismus – ist, so die Grundannahme Huhnholz‘, seine Raumpraxis. Ausgehend von dieser These untersucht der Politologe die Reorganisation des Raumes durch den Dschihadismus. Die besondere Stärke des multikulturell verfassten und transnational organisierten Netzwerks mit exterritorialisierter Gemeinschaftsvorstellung besteht darin, dass es „einerseits die Leistungsdefizite vieler arabischer Staatswesen, die Sinn- und Orientierungskrisen rasanter Modernisierung und keinesfalls zuletzt die Integrationslücken moderner Migrationszielländer weltanschaulich zu kompensieren“ vermag und es andererseits geschafft hat, „asymmetrisch starke, imperiale Kompensationsmechanismen zu unterminieren“ (112). Darüber hinaus weist Huhnholz darauf hin, warum die eingeschlagenen Antiterrorstrategien dem Dschihadismus in die Hände spielen und inwiefern die „technologistischen Reflexe“ (115) in der Sicherheitspolitik an der Dezentralität und der transnationalen Mobilität der entterritorialisierten Weltanschauung scheitern. Am Beispiel des Dschihadismus entfaltet Huhnholz auf eindrucksvolle Weise, wie Netzwerke territoriale Räume durchdringen und so neue (Bedrohungs-)Räume entstehen lassen. Die mit dem Humboldt-Preis ausgezeichnete Analyse verlässt die ausgetretenen Pfade einer staatsfixierten Sicherheitspolitik und zeigt, dass es ein folgenschwerer Denkfehler ist, die vielzitierten Globalisierungsprozesse der Entgrenzung und Entterritorialisierung kurzerhand mit Enträumlichung gleichzusetzen. Der Autor übt damit auch eine Kritik an der Raumvergessenheit politologischer Diskurse.
Marius Hildebrand (HIL)
M. A., Politikwissenschaftler, Doktorand, Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 4.41 | 4.42 | 2.25 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Marius Hildebrand, Rezension zu: Sebastian Huhnholz: Dschihadistische Raumpraxis. Berlin: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34288-dschihadistische-raumpraxis_41154, veröffentlicht am 24.11.2011. Buch-Nr.: 41154 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken