Staat und Kommunikation in der Politik des Johannes Althusius. Untersuchungen zur Politikwissenschaft in der frühen Neuzeit
Politikwiss. Diss. Augsburg; Gutachter: T. Stammen, H. Ottmann, D. Lüddecke. – Obwohl Althusius zu den wichtigsten deutschen Reichsdenkern des 17. Jahrhunderts zählt, der in keiner ideengeschichtlichen Darstellung fehlen sollte und in den letzten Jahren ein wachsendes Interesse an ihm zu verzeichnen ist (vgl. die 2003 von Wyduckel herausgegebene deutschsprachige Auswahl), steht er weiterhin im Schatten berühmter Staatsdenker der frühen Neuzeit. Dass heute die politischen Theorien aus dem Zeitalter früher Souveränitätsbegründung angesichts des – für manchen nur vermeintlichen – Endes der Staatlichkeit von erneutem Interesse ist, liegt auf der Hand. Umso wichtiger ist es, vor voreiligen Aktualisierungen zu warnen. Diesem Motto folgt die Dissertation von Knöll, der sich weitgehend einer Aktualisierung verweigert und ausschließlich das politische Hauptwerk „Politica“ auf innere Plausibilität überprüfen will. Knöll untersucht in dieser zweigeteilten Arbeit zunächst die wissenschaftstheoretischen und anthropologischen Grundannahmen, die Althusius als gemäßigten Neuerer ausweisen: Denn obwohl er die Politikwissenschaft von der Philosophie, Jurisprudenz und Theologie unterscheiden will, bleibt er bei der Durchführung seines Programms nicht immer konsequent. Auch seine Rede von symbiotischen Menschen wird dem modernen (Besitz-)Individualismus nur bedingt gerecht. Im zweiten Teil rekonstruiert Knöll ausführlich Althusius' Hauptwerk aus dessen Prämisse, Politik sei ein Prozess der kommunikativen Gemeinschaftsbildung, die durch den Staat maßgeblich angeleitet und geschützt werden solle. Die damit verbundene administrative Perspektive erklärt einerseits, dass Althusius nicht als demokratischer Denker missverstanden werden dürfe, markiert aber andererseits auch die Grenzen staatlichen Handelns, dem er ein scharfsinnig konstruiertes Widerstandsrecht entgegensetzt. Insgesamt interpretiert Knöll die „Politica“ als eine politikwissenschaftliche Schrift, die sich im Gegensatz zu Hobbes' „Leviathan“ philosophischer Abstraktionen weitgehend enthält, aber wie dieser die konfessionellen Spannungen des 17. Jahrhunderts durch eine rationale Begründung des Staates zu bewältigen versucht. Insofern dürfe Althusius auch nicht ausschließlich als politischer Theoretiker des Calvinismus interpretiert werden.