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Arno Münster

André Gorz oder der schwierige Sozialismus. Eine Einführung in Leben und Werk

Zürich: Rotpunktverlag 2011; 128 S.; 9,50 €; ISBN 978-3-85869-461-4
Das vielleicht größte Verdienst dieses an Verdiensten nicht gerade armen Bandes besteht darin, dem Los des Vergessenwerdens ein Schnippchen zu schlagen. Münster führt einfühlend und detailreich, dabei aber immer verständlich und mitnichten unkritisch in Leben und Werk des in Deutschland wohl nur einigen wenigen Eingeweihten überhaupt bekannten „Haupttheoretikers der politischen Ökologie“ (23) ein. Mit dieser (Kurz-)Biografie wird ein Denker beschrieben, der als Mitbegründer des Nouvel Observateur und als Schüler Sartres über seine sozialistischen Theorien in den 80er-Jahren bis hinein in die deutsche Sozialdemokratie gewirkt hat. Interessant ist dabei das von Münster entfaltete ideengeschichtliche Ambiente, in dem Gorz die Wende vollzieht – hin zu jenem „Öko-Sozialismus“ (58), hin zu jenem „Sozialismus des Möglichen“ (65). Gorz griff dabei das Erbe der Debatte um die Chancen und Grenzen von Reform und Revolution auf, wie sie von Eduard Bernstein und Léon Blum in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts gegen die „revolutionäre Ungeduld“ (Marc Sadoun) des Kommunismus hervorgebracht worden waren: „Die Idee vom Sieg der ‚sozialen Revolution’ am großen Revolutionsabend – dies ist die feste Überzeugung von André Gorz – hat keinerlei Existenzberechtigung mehr.“ (67 f.). Diese Einschätzung deckt sich ziemlich genau mit dem Hauptargument des demokratischen – nach Monique Canto-Sperber könnte man auch sagen: liberalen – Sozialismus. Die Antwort, die dieser Sozialismus mit Blick auf die permanente Ermöglichung des Politischen und gegen das Primat neoliberaler Profitmaximierung formuliert, lautet dann, recht einfach, dass eine freie und vor allem eine politisch qualifizierte, also eine demokratisch-republikanisch organisierte Gesellschaft das zentrale, zukunftsweisende Projekt dieses Sozialismus des Möglichen wird sein müssen. Nur hier, angesichts des Möglichen, nicht angesichts des Absoluten, des Unnachgiebigen, lassen sich Individualität und Solidarität als permanente, generative Muster des Politischen tatsächlich gestalten – und eben nicht erzwingen.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.46 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Arno Münster: André Gorz oder der schwierige Sozialismus. Zürich: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34252-andr-gorz-oder-der-schwierige-sozialismus_41110, veröffentlicht am 17.11.2011. Buch-Nr.: 41110 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken