Unbehagen als Widerstand. Fluchtlinien der Kontrollgesellschaft bei Helmuth Plessner und Gilles Deleuze
Aus der Verbindung der poststrukturalistischen Soziologie Gilles Deleuzes und der Philosophischen Anthropologie Helmuth Plessners versucht Teigeler eine Widerstandsperspektive gegen die subtilen Kontroll- und Disziplinarmechanismen neoliberaler Gesellschaften zu entwickeln. Die Herausforderung besteht darin, die Macht-, Herrschafts- und Unterdrückungsaspekte des Status quo aufzudecken, die sich hinter dem ideologischen Schleier sich vermeintlich selbst organisierender, grenzenloser Systeme verbergen, und schließlich ein Unbehagen herzustellen, das dazu dient, auf produktive Weise „neue, unwahrnehmbare Kombinationen wahrnehmen zu können“ (17). Mit diesem Ziel arbeitet die Autorin im ersten Schritt die übergeordnete Gemeinsamkeit der unter epistemologischen Gesichtspunkten entgegengesetzten Theorien Plessners und Deleuzes heraus. Hier zeigt Teigeler, dass sich das grenztheoretische Denken Plessners und der differenztheoretische Ansatz Deleuzes darin treffen, dass sie jede „Form der Suche nach einer wie auch immer gearteten substanzontologischen Erklärung des lebenden Seins“ (19) und den Mythos eines autonomen und sich selbst transparenten Subjekts, wie es etwa in aufklärerischen Philosophien präsupponiert wird, verabschieden. Danach wendet sie die Theorien Plessners und Deleuze’ gegen die herrschaftslegitimierenden Ideologien moderner Kontroll- und Disziplinargesellschaften – die Vorstellung eines autonomen, freien und sich selbst verwirklichenden Ichs –, um im Rückgriff auf Gesa Ziemers Konzept der Komplizenschaft eine emanzipatorische Form des Unbehagens zu lancieren, die neue Möglichkeiten des Widerstandes eröffnet. Die Frage, ob ein von Deleuze inspiriertes Denken, das sich weigert, prekäre Bedeutungsfixierungen vorzunehmen, um neue Formen von Kollektivität zu konstruieren, nicht zwangsläufig politisch ohnmächtig wird, bleibt allerdings – das gesteht die Autorin freimütig ein – unbeantwortet.