Nach mehr als 40 Jahren sind jetzt erstmals mehrere Dokumente der Aktivitäten der Sozialdemokratischen Wählerinitiative (SWI) im Bundestagswahlkampf 1969 veröffentlicht worden. Diese Ausführungen zu der sich stark auf die Veranstaltungen von und mit Günter Grass stützenden Bewegung sollten bereits im Jahr 1970 publiziert werden. Nach damaligen Problemen mit den Verlagen verliefen die Bemühungen allerdings im Sande und die Beiträge fanden den Weg in die Archive. In diesem Band werden sie nun veröffentlicht, ergänzt um drei aktuelle Beiträge. Hierbei handelt es um die Einleitung des Herausgebers, ein Gespräch mit den beiden „VW-Bus-Fahrern“ Friedhelm Drautzburg und Günter Grass sowie einer historischen Einordnung der SWI durch die Historikerin Daniela Münkel. Allen Beiträgen gemein ist eine anschauliche und verständliche Darstellung. Gerade die verschiedenen Innenansichten ermöglichen eine angenehme Annäherung an die seinerzeitigen gesellschaftlichen Verhältnisse und vermitteln ein Gefühl des Dabeigewesenseins. Dass die Lektüre im Ergebnis dennoch nur für einen kleinen Leserkreis von Interesse sein dürfte, kann der verstrichenen Zeit, der reduzierten Bedeutung Grass’ innerhalb der Gegenwartsliteratur wie auch der gefühlten Nicht-Existenz (und Nicht-Notwendigkeit?) eines politischen Literatentums zugeschrieben werden. Aus politikwissenschaftlicher Sicht sind vornehmlich die Einlassungen zur Rolle des politischen Intellektuellen und die Frage der Erschließung neuer Wählerschichten bedeutsam. Das damalige Patentrezept der Auswahl von Wahlkreisen der sozialdemokratischen Hochburgen einerseits und der Diaspora andererseits bietet dabei ebenso einen Diskussionsansatz wie der Versuch, zu Zeiten, als die SPD noch als Partei der Arbeiter und „kleinen“ Angestellten anzusehen war, vornehmlich auf Ältere, Frauen und junge Leute zuzugehen. Dies entsprach zumindest auch der Struktur der SWI. „Arbeiter engagierten sich äußerst selten in der SWI. Nur 16 Prozent der Aktiven in der SWI waren eingeschriebene Mitglieder der SPD.“ (212) Letztlich bleibt die offene Frage an die SPD: Ist die Zeit reif für eine neue SWI?