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Hans-Dieter Heuman (Hrsg.)

Hans-Dietrich Genscher. Die Biographie

Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 2012; 346 S.; 24,90 €; ISBN 978-3-506-77037-0
Heumann widmet sich Genschers Werdegang in drei Abschnitten, in denen er sich dem Menschen, dem Politiker und dem Staatsmann widmet. Zu dem letztgenannten Bereich zählt auch Genschers Zeit als Außenminister. Als Angehöriger des Auswärtigen Amts und als heutiger Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik gehört Heumann selbst zu den Insidern der deutschen Außenpolitik und rückt diese ins Zentrum der Ausarbeitung. Eine schlüssige Konzeption Genschers zu finden, erweist sich dabei als nicht einfach. „Außenpolitische Doktrinen beurteilte Genscher vor allem danach, inwieweit sie den Handlungsspielraum der Außenpolitik erweitern oder verengen“ (95). Demnach stehe Genscher in erster Linie für eine verschlagene Verhandlungsführung, die ansonsten fest in die Axiome der alten westdeutschen Außen- und Sicherheitspolitik eingepasst gewesen sei. Während sich Heumann zu großen Teilen auf Interviews mit Genscher und nationalen wie internationalen Weggefährten stützt, gelingt es ihm, für die Phase der Deutschen Einheit bislang gesperrte Akten aus dem Auswärtigen Amt heranzuziehen. Heumann gleicht so aus, dass „Genschers Rolle bei den Verhandlungen [...] bislang nicht angemessen dokumentiert und gewürdigt werden“ (225) konnte. Kohls Vorpreschen mit dem Zehn-Punkte-Plan hat demnach erhebliche Verstimmungen bei den westlichen Verbündeten und der Sowjetunion hervorgerufen, die von Genscher eingefangen wurden. Am Ende sei „der erfolgreiche Abschluss der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen [...] das Werk Genschers, Schewardnadses und Bakers“ (276) gewesen. So gehe die zentrale Frage der Bündniszugehörigkeit des vereinigten Deutschlands bei Aussparung einer Integration des Gebiets der ehemaligen DDR in die NATO-Strukturen auf eine Idee Genschers zurück. Zuweilen verteidigt Heumann Genschers Handeln, insgesamt geht der Autor aber sehr differenziert vor. Er hinterfragt Genschers eigene Erinnerungen oder nahe liegende zeitimmanente Urteile im Lichte neuerer Erkenntnisse kritisch und macht deutlich, dass nach Wegfall des Systemgegensatzes die bis dahin von Genscher verfolgte Außenpolitik während des Golfkriegs und in der Phase der Anerkennung der nach Unabhängigkeit strebenden ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken an ihre Grenzen gestoßen sei. In Bezug auf den Golfkrieg sei die „deutsche Haltung widersprüchlich und damit nicht glaubwürdig“ (289) gewesen. Im ehemaligen Jugoslawien habe er sich „in den Widerspruch, für das Selbstbestimmungsrecht Sloweniens und Kroatiens einzutreten [verstrickt], ohne für den Schutz dieser Republiken vor serbischen Aggressionen sorgen zu können“ (299). Damit schlägt Heumann am Ende den Bogen zu den zentralen Fragen der deutschen Außenpolitik während der rot-grünen Regierungszeit.
Stephan Klecha (SKL)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Institut für Demokratieforschung der Universität Göttingen.
Rubrizierung: 2.3 | 4.21 | 2.313 | 2.331 Empfohlene Zitierweise: Stephan Klecha, Rezension zu: Hans-Dieter Heuman (Hrsg.): Hans-Dietrich Genscher. Paderborn u. a.: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34170-hans-dietrich-genscher_40985, veröffentlicht am 22.12.2011. Buch-Nr.: 40985 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken