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Michael Schmidmayr (Hrsg.)

Politische Opposition in Bahrain. Stabilität und Wandel in einem autoritären Regime

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2011 (Weltregionen im Wandel 11); 332 S.; 54,- €; ISBN 978-3-8329-6511-2
Diss. Tübingen; Gutachter: P. Pawelka, L. Richter-Bernberg. – Oft hinkt die Forschung aktuellen Entwicklungen hinterher – 1989 sprach man angesichts des Mauerfalls vom Schwarzen Freitag für die Sozialwissenschaften. 2011 wiederholte sich diese Prognoseschwäche zu Beginn des Umbruchs im Nahen Osten. Seltener blickt die Forschung voraus. Michael Schmidmayr konnte mit seiner 2005 bis 2009 erarbeiteten Dissertation zwar ebenfalls nicht die Facebook-Revolution voraussehen, wesentliche Ausgangsbedingungen für politische Opposition in autoritären Staaten hat er am Beispiel Bahrain jedoch treffend analysiert. Seine Aussagen über den Autoritarismus der arabischen Golfstaaten zeigen: Klientelismus und Repression sind Mittel der Machtsicherung. Das Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“ führt zur „vertikalen Segmentierung der Gesellschaft“ (44) wie zur Spaltung oppositioneller Gruppen. 2002 oktroyierte König Hamad eine Verfassung mit bedingter Presse-, Versammlungs- und Vereinsfreiheit. Wahlen kranken vor allem am Zuschnitt der Wahlkreise, der die Opposition mal isoliert, mal zerstreut. Dekrete konterkarieren fast jede Parlamentsarbeit, sogar das Budgetgesetz. Bahrain hängt am Tropf Saudi-Arabiens, das dem Land Ölfelder überlässt und Budgethilfe leistet; hohe Jugendarbeitslosigkeit fällt zusammen mit Konkurrenzdruck durch ausländische Arbeitskräfte – ein Grund zur Auflehnung. Diskriminierung muss die alteingesessene Gruppe der schiitischen Bahārna erdulden. Der schiitische Islam ist zentraler Nährboden der Opposition, folglich tritt der schiitische Islamismus mit größerer Stärke auf als der sunnitische (ein Urteil zum Grad der Radikalisierung fehlt allerdings). Ein Paradox ist: Der Islamismus bewirkt eine Konfessionalisierung, obwohl soziale Fragen die oppositionelle Agenda bestimmen. Zur liberalen Opposition zählt der Autor linke und nationalistische Kräfte. Warum aber firmieren als dritte Gruppe Gewerkschaftsaktivisten und der Rat des schiitischen Klerus? Die Arbeitsfelder von Menschenrechtsgruppen (Haftbedingungen, Frauenrechte, Rechte von Christen und Juden) bleiben im Weiteren undeutlich. Zugeständnisse schwächten bisher jede Opposition, deren inzwischen bewiesene Sprengkraft als „soziale Bewegung“ (196) hat der Autor allerdings vorbeschrieben. Fehlerhaft nummerierte Kapitel und Belege für Nachrichtenquellen und Interviews ausschließlich in Fußnoten schmälern den inhaltlichen Gewinn kaum.
Sebastian Liebold (LIE)
Dr., Politologe und Zeithistoriker, wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 2.63 | 2.22 | 2.23 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Sebastian Liebold, Rezension zu: Michael Schmidmayr (Hrsg.): Politische Opposition in Bahrain. Baden-Baden: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34122-politische-opposition-in-bahrain_40927, veröffentlicht am 25.08.2011. Buch-Nr.: 40927 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken