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Martin Kipping

State-Building. Erfolg und Scheitern in Afghanistan

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2011 (Schriften zur Governance-Forschung 24); 278 S.; 49,- €; ISBN 978-3-8329-6587-7
Diss. FU Berlin; Gutachter: Th. Risse, C. Schetter. – Kipping fragt nach den Voraussetzungen für gelingendes externes State-Building. Dabei geht er davon aus, dass State-Building gegenwärtig eine zentrale Herausforderung in politischer wie wissenschaftlicher Hinsicht ist. Er schlägt sich also in seiner Untersuchung auf die Seite problemlösender Ansätze und strebt an, stattfindende Interventionen zu verbessern beziehungsweise „überzogene[m] Optimismus“ entgegenzutreten: „Entsprechende Erkenntnisse können helfen, Gewalt und damit menschliches Leid in Räumen schwacher oder nicht-existenter Staatlichkeit zu reduzieren, Stabilität und einen positiven Frieden hingegen wahrscheinlicher zu machen“ (19). Jenseits der Frage, ob angesichts stabiler Staaten wie Nordkorea Stabilität ein Wert an sich und Staatlichkeit eine Conditio sine qua non irdischen Glücks ist, behandelt Kipping sein Thema ausgesprochen systematisch. Er nimmt sich Afghanistan und vergleichend die Interventionen der Sowjetunion an der Seite der afghanischen Kommunisten ab 1979 und die der NATO an der Seite einer zusammengewürfelten Mujaheddin-Gruppierung seit 2001 vor. Die Unterschiede zwischen beiden historischen Konstellationen liegen auf der Hand und werden von Kipping produktiv gewendet: Ein bestimmender Akteur vs. ein Akteurskonglomerat, Ressourcen- und militärischer Aufwand, Eingriffstiefe, sozialistische vs. liberale Ausrichtung der Interventen und schließlich die gesellschaftliche Ausgangsposition sowie die Akzeptanz der Intervention in Afghanistan selbst. Die Untersuchung dieser Unterschiede bringt mehr Probleme zutage als lösbar erscheinen: Während nach der Intervention etwa die fast ausschließliche Finanzierung des aufgeblähten Sicherheitsapparates durch die Sowjets und deren Wegfall den Kollaps des afghanischen Staates bedingte, musste in den USA die anfänglich zurückhaltende Haushaltspolitik der laufenden Intervention mit steigendem Widerstand aufgegeben werden. Die USA wurden so zum Hauptakteur und die von ihnen durchgeführte Ausbildung der afghanischen Nationalarmee „zu einer relativen Erfolgsgeschichte im state-building seit 2001“ (204) – erzwungen allerdings durch wachsende Gewalt. Dass dies für einen Abzug keinen Optimismus erlaubt, liegt auf der Hand: Wenn eine Erfolgsbedingung von State-Building das Ausbleiben von Gewalt ist, also „ein Mindestmaß an Stabilität und Kontrolle“ (208), stellt sich die Frage, wozu eine zivil-militärische Intervention überhaupt gebraucht wird, die dies nicht leistet. Jenseits der Förderung von Demokratie, die Interventionen in den Ursprungsländern der Intervention legitimieren soll, wäre laut Kipping ein Sicherheit schaffender Ansatz zu bevorzugen – etwa in dem Sinn wie in den kommunitaristischen Überlegungen Amitai Etzionis („Security First“) skizziert.
Florian Peter Kühn (KÜ)
Dr., M. P. S., wiss. Mitarbeiter, Institut für Internationale Politik, Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg.
Rubrizierung: 2.68 | 2.2 | 4.41 | 4.22 | 2.64 | 2.62 Empfohlene Zitierweise: Florian Peter Kühn, Rezension zu: Martin Kipping: State-Building. Baden-Baden: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34121-state-building_40926, veröffentlicht am 15.09.2011. Buch-Nr.: 40926 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken