Privatisierung und Entstaatlichung der inneren Sicherheit – Erscheinungsformen, Prozesse und Entwicklungstendenzen. Eine empirische Untersuchung zur Transformation von Staatlichkeit am Beispiel der inneren Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland
Die seit Jahren zu beobachtenden Privatisierungen im Bereich der Inneren Sicherheit (u. a. freiwillige Polizeidienste, privates Sicherheitsgewerbe) werden häufig nur aus juristischer Sicht diskutiert. Demgegenüber fragt Stienen nach den zentralen politischen Implikationen dieses Prozesses: „[K]ann man bereits von tektonischen Verschiebungen zwischen Staat und Privat sprechen?“ (7) Er untersucht, ob es dominierende Positionen in diesem Akteursfeld gibt und welche Auswirkungen die vorgefundenen Muster auf die demokratische Kontrolle haben. Dies geschieht anhand einer empirischen Bestandsaufnahme (einschließlich halbstandardisierter Fragebögen an die Fachministerien) für den Zeitraum von 1970 bis 2010. Im Mittelpunkt stehen drei zentrale staatliche Tätigkeitsfelder, die als Fallstudien begriffen werden: die Gefahrenabwehr, die Verfolgung von Straftaten- und Ordnungswidrigkeiten sowie der Strafvollzug. Darüber hinaus wird in einem Exkurs die gemeinsame Ausbildung von Polizei und Sicherheitsgewerbe erörtert, außerdem werden vergleichende Bezüge (zu den USA, Großbritannien, Frankreich, Österreich und Italien) hergestellt. Stienen konstatiert schließlich eine „Zerfaserung und Pluralisierung der inneren Sicherheit“ (303), die unsystematisch und nicht im Sinne eines ordnungspolitischen Konzeptes verlaufe. Dabei handele es sich aber um keine Krise von Staatlichkeit, vielmehr entlaste sich der Staat „an der Peripherie durch einen ungeordneten Rückzug“. Die „partielle Entstaatlichung und Enthierarchisierung“ gehe zwar in Richtung „Kooperations- und Gewährleistungsstaat“; der Staat sei jedoch „stets der dominierende Akteurstyp“, zumal grundsätzlich nur „weiche Sicherheitsaufgaben“ (360 f.) betroffen seien – die zugleich jederzeit rückholbar wären. Die demokratische Kontrolle bleibe gewährleistet. Gleichwohl erlangten private Kontrollstrategien und Ordnungsvorstellungen einen immer größeren Stellenwert. Isoliert und eng an der Fragestellung betrachtet mag das alles im Grundsatz zutreffen. Es ist aber zu ergänzen, dass gleichzeitig zur Privatisierung die öffentlichen Akteure ihre Aufgaben und Kompetenzen reichlich ausgedehnt haben (z. B. EU, Bundespolizei). Das wirft die Frage nach der Legitimation viel stärker auf als mit dem in der Studie herangezogenen juristischen Maßstab von Legitimationsketten und Parlamentsvorbehalt erfasst wird.