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Bihter Somersan

Feminismus in der Türkei. Die Geschichte und Analyse eines Widerstands gegen hegemoniale Männlichkeit

Münster: Westfälisches Dampfboot 2011; 266 S.; 29,90 €; ISBN 978-3-89691-877-2
Politikwiss. Diss. Frankfurt a. M.; Begutachtung: A. Demirović, B. Sauer. – Die feministische Bewegung in der Türkei entwickelte sich, wenn auch außerhalb des Landes wenig beachtet, weitgehend parallel zu Frauenbewegungen im westlichen Europa. Das Ende der Militärdiktatur 1983 brachte eine weitreichende NGOisierung der ehemals autonomen oder sozialistischen Protestgruppen mit sich. Dies barg zahlreiche Chancen, da feministische Anliegen nun offiziell Zugang zur politischen Kultur und den staatlichen Apparaten des Landes erhielten; zugleich wurden auch Einschränkungen deutlich, da die hegemonialen Machtverhältnisse der politischen Klasse partiell auch in die feministischen Bewegungen Einzug hielten und manche revolutionären Forderungen nach Veränderung im Keim erstickten. Vor diesem Hintergrund analysiert Somersan die Frauenbewegung in der Türkei und fragt, inwiefern diese in der Lage war, die politische Kultur des Landes nachhaltig zu verändern und traditionelle Männlichkeitsstrukturen zumindest ansatzweise aufzubrechen. Empirisch gestützt auf Interviews mit involvierten Akteurinnen sowie auf die Auswertung zahlreicher Primärquellen zeichnet die Autorin den gespaltenen Charakter des türkischen Feminismus zwischen Zivilgesellschaft und Staat, zwischen autonomen und professionalisierten Bewegungen nach. Dieser Dualismus, der auf einer langen Tradition des Denkens über Öffentlichkeit, Zivilgesellschaft und Staat beruht – eine Tradition, in welcher der Staat vielen immer noch als feindliches Konstrukt gilt –, steht dem Erfolg der türkischen Frauenbewegungen in vielfacher Hinsicht im Wege. Partiellen Erfolgen der vergangenen zwei bis drei Jahrzehnte stehen diesbezüglich auch viele Versäumnisse gegenüber. Diese können letztlich nur behoben werden, wenn es der feministischen Bewegung in der Türkei gelingt, sich aus der Dichotomie zu lösen, die zwischen den beiden Alternativen einer umfassenden Opposition zum Staat einerseits bzw. einer Vereinnahmung durch den Staat andererseits kaum Raum zur Selbstpositionierung lässt.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.63 | 2.27 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Bihter Somersan: Feminismus in der Türkei. Münster: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33942-feminismus-in-der-tuerkei_40682, veröffentlicht am 01.12.2011. Buch-Nr.: 40682 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken