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Sarah Zalfen

Staats-Opern? Der Wandel von Staatlichkeit und die Opernkrisen in Berlin, London und Paris am Ende des 20. Jahrhunderts

München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2011 (Die Gesellschaft der Oper 7); 452 S.; 49,80 €; ISBN 978-3-486-70397-9
Diss. FU Berlin; Begutachtung: R. Rytlewski, U. Bermbach. – Seit ihren Anfängen im 17. Jahrhundert seien die Opern dreierlei gewesen, schreibt Zalfen: „zum einen ein Gegenstand hoheitlicher Patronage, zweitens kommunikative Treffpunkte bestimmter gesellschaftlicher Gruppen und schließlich Bühne einer politischen und gesellschaftlichen Ordnung“ (16 f.). Ausgehend von dieser Definition enthält sich die Autorin einer Diskussion darüber, ob Opern künstlerisch heute noch etwas mitzuteilen haben; auch erörtert sie nicht, ob und wieviel Geld eine Kultureinrichtung, die von wenigen Menschen besucht wird, aus öffentlichen Haushalten erhalten sollte. Zalfen blickt vielmehr hinter die Kulissen – nicht der Bühne, sondern der Macht. Damit legt sie eine reizvolle Analyse von Transformationen im demokratischen Staat vor. Auf den ersten Blick scheint es dabei nur um – im staatlichen Gesamtkontext – kleinere Veränderungen zu gehen. Die genaue Betrachtung sogenannter Opernkrisen in Berlin, Paris und London in der jüngsten Vergangenheit lässt jedoch zutage treten, dass die einst höfische Institution auch in Demokratien noch dazu benutzt wird, um den Staat zu manifestieren und Politik auszudrücken. Eine Opernkrise – in der es öffentlich sichtbar vor allem immer um die finanzielle Ausstattung eines Hauses geht – ist also, so die zentrale Ausgangshypothese, „nicht nur eine Krise der Institution und Kunstform [...], sondern mindestens ebenso sehr eine Krise des Staates“ (18). In ihrer detaillierten Analyse (in der immer wieder Berlin im Mittelpunkt steht) über die Ökonomisierung der Oper, ihre gesellschaftliche Funktion und ihre Rolle im Spiegel neuer Repräsentationsstragegien begreift die Autorin die Opernkrisen nicht als Fakten, sondern als Diskurse. Sie zeigt, dass in politischen Umbruchsituationen die als Fallbeispiele dienenden Opern zu stellvertretenden Arenen wurden, in denen „bestimmte politische und gesellschaftliche Grundsatzfragen aufgegriffen werden konnten“ (385): in Berlin traten so „die finanziellen, politischen und kulturellen Konflikte der Vereinigung und Hauptstadtwerdung“ (387) an die Oberfläche; in London baute sich nach der Regierungsübernahme der Labour Party unter Tony Blair mit der Royal Opera als Fixpunkt „eine klassenkämpferische Krisenstimmung“ (388) auf und in Paris sollte mit der Reform der Oper unter Präsident François Mitterrand eine moderne, starke Staatlichkeit zum Ausdruck gebracht werden. Dass auch zukünftig Opernhäuser als Kulminationspunkte von Staatsdiskursen fungieren werden, lässt ein abschließender Hinweis der Autorin erahnen – nicht nur in Skandinavien, sondern auch in China und der arabischen Welt wurden und werden neue Opernhäuser gebaut.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.2 | 2.61 | 2.263 | 2.343 | 2.23 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Sarah Zalfen: Staats-Opern? München: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33820-staats-opern_40522, veröffentlicht am 19.04.2012. Buch-Nr.: 40522 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken