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Raymond Geuss

Kritik der politischen Philosophie. Eine Streitschrift. Aus dem Englischen von Karin Wördemann

Hamburg: Hamburger Edition 2011; 143 S.; 12,- €; ISBN 978-3-86854-229-5
Raymond Geuss führt eine 2007 in Athen unter dem Titel „(Lenin), Rawls, and Political Philosophy“ (9) gehaltene Vorlesung detaillierter aus. Dabei verteidigt er in Form einer Streitschrift die mehr dem Realismus zugewandte Form der politischen Philosophie gegen die nach seiner Meinung überhandnehmende Entwicklung der übermäßigen Betonung von ethischen Gesichtspunkten. Diese letztgenannte Perspektive basiere auf universal angewendeten normativen Interpretationen, in welchen die besonderen historischen und sozialen Gegebenheiten des jeweils zu betrachtenden Einzelfalls keine Berücksichtigung finden können. Hierbei setzt sich Geuss insbesondere mit den Überlegungen der „idealen Theorien“ von John Rawls und Robert Nozick auseinander. Im Unterschied zu ihnen bevorzugt Geuss einen realistischen Ansatz, der Politik nicht als wertebasiert versteht, sondern darin eine nüchterne, empirisch nachzuvollziehende Ausführung von Machtbeziehungen erkennt. Dieses manifestiert sich in der berühmten Aussage Lenins: „Wer wen?“ (38) Darauf aufbauend sollte die politische Philosophie nach Geuss fünf wesentliche Aufgaben erfüllen: 1. Verständnis für das Verhalten politischer Akteure und ihrer Entscheidungsprozesse entwickeln. 2. Sie muss es den Bürgern erleichtern, politische Institutionen und Prozesse kritisch beurteilen zu können. 3. Sie soll den Bürgern bei der Orientierung hinsichtlich ihrer eigenen Rolle in der Gesellschaft helfen. 4. Politische Philosophie muss sich an begrifflichen Innovationen versuchen, um damit das Verständnis einer modernisierten Gegenwart zu verbessern. 5. Sie sollte die fälschliche Hervorhebung von Ideologien „entlarven“ (75). Diesen Zielsetzungen der realistischen politischen Philosophie setzt Geuss mehrere universalistische Konzeptionen wie Gerechtigkeit, Gleichheit und Macht entgegen. Er erkennt dabei, dass die darin enthaltenen universalistischen Perspektiven in ihrer Grundsätzlichkeit nicht haltbar sind und einer genaueren Betrachtung aus dem realistischen Blickwinkel bedürfen. Moral, so Geuss, unterteile menschliche Handlungen bloß in Gut und Böse, ohne Grautöne. So schließt er diesbezüglich das Buch mit der Erkenntnis: „Über die Politik, die wir in unserer Welt kennen und die uns angeht, hat sie [die Moral] uns wenig zu sagen.“ (137)
Arne Arps (AA)
M. A., Doktorand der Politikwissenschaft, Universität Vechta.
Rubrizierung: 5.42 Empfohlene Zitierweise: Arne Arps, Rezension zu: Raymond Geuss: Kritik der politischen Philosophie. Hamburg: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33784-kritik-der-politischen-philosophie_40468, veröffentlicht am 04.05.2011. Buch-Nr.: 40468 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken