Nach Jahrzehnten der Isolation beginnen auch die Muslime in Russland, sich in die Umma, die weltweite Gemeinschaft der Gläubigen, zu integrieren. Die Autoren diskutieren diesen zeitgenössischen Islam, die geistigen Transformationsprozesse russischer Muslime und ihre Wahrnehmung durch die griechisch-orthodoxe oder atheistische Bevölkerungsmehrheit. Die Herausgeber verweisen darauf, dass russische Staatsbürger muslimischen Glaubens heute bereits elf Prozent der Einwohner des Landes stellen und die Bedeutung dieser Gruppe weiter zunimmt. Darüber hinaus wird der russische Staat durch Forderungen nach der Sharia als der Rechts- und Lebensgrundlage im Nordkaukasus herausgefordert. Die Autoren erörtern daher auch die Grenzen der Religiosität sowie als weiteren wichtigen Aspekt die Wirkung der Migration auf die muslimische Identität. Alexey Malashenko, Experte am Moskauer Carnegie Centre, hebt hervor, dass sich in Russland mit dem Nordkaukasus und dem Gebiet der Tartaren zwei muslimische Regionen gebildet haben. Auch spricht er nicht vom russischen Islam, sondern vom Islam in Russland. In der Religion sieht er einen wichtigen politischen Einflussfaktor, der sich insbesondere in der Konfrontation radikaler politischer Gruppen zu einer mächtigen Waffe entwickelt hat. Der Politikwissenschaftler Alexander Verkhovski analysiert die Wahrnehmung des Islams. Er stellt fest, dass die Russen zwar durch ihre langjährigen Erfahrungen eines Lebens an der Seite von Nachbarn mit verschiedenen religiösen Hintergründen in Toleranz geübt seien, dass sie andererseits aber auch große Angst vor dem Islam haben. Diese sei durch die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion aufbrechenden ethnischen Konflikte, die Migration von Muslimen aus dem Kaukasus sowie muslimische Gastarbeiter aus Zentralasien genährt worden. Der Autor sieht in diesem Kontext auch Parallelen zur islamischen Migration und dem Aufflammen des Rechtsextremismus in Europa.