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Astrid Geisler / Christoph Schultheis

Heile Welten. Rechter Alltag in Deutschland

München: Carl Hanser Verlag 2011; 224 S.; 15,90 €; ISBN 978-3-446-23578-6
„Und gerade dort, wo sich die Demokratiefeinde am unauffälligsten geben, dort, wo sie vermeintlich kaum der Rede wert sind, sind sie zugleich am effektivsten“ (205). So beschließen Geisler und Schultheis ihren zutiefst beunruhigenden Einblick in den rechten Alltag in Deutschland. Ziel der Autoren ist es nicht, die aufsehenerregendsten und bekanntesten Fälle von Rechtsextremismus aufzuarbeiten. Sie wollen vielmehr von der „[…] irren kleinen Parallelwelt nebenan […]“(13) erzählen. In neun Reportagen berichten die Autoren von der Existenz und Akzeptanz rechter Gesinnungen in der bürgerlichen Mitte am Übergang zum rechten Rand der Gesellschaft. Beispielsweise wird dargestellt, wie der Sohn eines bürgerlichen Ehepaars in Süddeutschland immer weiter nach rechts abrutscht und schließlich im Gefängnis landet. Ein weiteres Kapitel befasst sich mit den milden Strafen, die Gewalttäter mit rechtem Hintergrund für ihre Straftaten in Halberstadt, Sachsen-Anhalt, erhalten. Dort wurden Gewalttaten gegen links orientierte Jugendliche nicht als politisch motiviert anerkannt, sondern als „jugendtypische Verfehlungen“ (93). Das letzte Kapitel des Bandes wäre durchaus amüsant zu lesen, wenn der Hintergrund nicht so ernst wäre. Thema sind die verschiedenen wirren Weltbilder und Verschwörungstheorien, die in der „rechten Esoterik“ (176) Akzeptanz finden. Abstruse Gedankengebilde basieren auf und mischen sich mit nachweisbaren Fälschungen wie den Protokollen der Weisen von Zion. Nachdenklich stimmt auch hier, dass die „diffusen Theorien“ (186) der rechten Esoterik Anknüpfungspunkte für viele Gruppen bieten, die stärker im linksliberalen Spektrum zu verordnen wären (187). Die Beiträge zeigen, dass die Trennung zwischen der „guten“ bürgerlichen Mitte und dem glatzköpfigen rechten Mob nicht mehr zeitgemäß ist. Häufig werden rechte Gesinnungen unter dem Deckmantel des alltäglichen normalen Verhaltens propagiert und akzeptiert. Die Entwicklung dieser neuen Grauzonen sollte sowohl die Politik als auch die Medien zu neuem Nachdenken über den rechten Alltag in Deutschland anregen.
Matthias Seifert (MSE)
Politikwissenschaftler, Lehrer für Gemeinschaftskunde und Englisch, Gymnasium Englisches Institut Heidelberg.
Rubrizierung: 2.37 Empfohlene Zitierweise: Matthias Seifert, Rezension zu: Astrid Geisler / Christoph Schultheis: Heile Welten. München: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33644-heile-welten_40295, veröffentlicht am 20.04.2011. Buch-Nr.: 40295 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken