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Guido Tiemann / Oliver Treib / Andreas Wimmel

Die EU und ihre Bürger

Wien: facultas.wuv 2011 (Europa Kompakt); 262 S.; brosch., 18,90 €; ISBN 978-3-8252-3497-3
Auch 50 Jahre nach Unterzeichnung der Römischen Verträge ist die Beziehung der Bürger zur Europäischen Union nach Meinung der drei Autoren „kühl, distanziert und pragmatisch“ (11). Der europäische Integrationsprozess sei primär von den politischen Eliten vorangetrieben worden, die auf eine stillschweigende Zustimmung der Bevölkerung setzten. Nach einer frühen Phase der Europa-Euphorie in der Nachkriegszeit und erneut nach dem Fall des Eisernen Vorhangs reagierten heutzutage aber viele Bürger skeptisch auf die Konsequenzen der europäischen Integration. Dieses schwierige Verhältnis zwischen der Europäischen Union und ihren Bürgern greifen Tiemann, Treib und Wimmel auf, indem sie die Einstellungen der Bevölkerung zum Integrationsprozess sowie ihr Entscheidungs- und Wahlverhalten im Zeitverlauf sowie im Ländervergleich analysieren. Eine Erkenntnis aus dieser Untersuchung lautet, dass die Bürger „den permissiven Konsens“ (232) über Themen der europäischen Integration aufgekündigt haben. Sie haben aufgehört, Schritte zur Erweiterung oder Vertiefung der Integration und konkrete Politiken einfach hinzunehmen. Mit der Ratifizierung des Vertrags von Maastricht sei „eine Flasche mit demjenigen euroskeptischen Gebräu ‚entkorkt' worden, das in den Jahrzehnten zuvor langsam, aber stetig vor sich hingegärt hatte“ (233). Deutlicher als die Einflussnahme bei Europawahlen zeigten nationale Referenden zu EU-Themen, ob eine Kluft zwischen den Präferenzen politischer Eliten und der Bevölkerung besteht – erinnert sei hier an die fehlgeschlagenen Beitrittsreferenden in Norwegen oder an den negativen Ausgang des Maastricht-Referendums in Dänemark 1992. Gescheiterte Referenden seien „Markstein und Ursache von Krisen des Integrationsprozesses“ (235), nicht nur im betroffenen Land, sondern ihre Signalwirkung strahle auch auf andere EU-Mitgliedstaaten aus. Die Bedenken der Bürger sollten von der politischen Führung ernster genommen und frühzeitiger in die zentralen Entscheidungsprozesse einbezogen werden, lautet die Empfehlung des Autorentrios. Sie weisen allerdings auch darauf hin, dass einige Wissenschaftler in dieser Entwicklung eine positive Politisierung der EU sehen, womit der Weg für eine gemeinsame europäische Identität bereitet werden könne.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 3.4 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Guido Tiemann / Oliver Treib / Andreas Wimmel: Die EU und ihre Bürger Wien: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33622-die-eu-und-ihre-buerger_40259, veröffentlicht am 30.08.2012. Buch-Nr.: 40259 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken