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Elisabeth Musch

Integration durch Konsultation? Konsensbildung in der Migrations- und Integrationspolitik in Deutschland und den Niederlanden

Münster u. a.: Waxmann Verlag 2011 (Zivilgesellschaftliche Verständigungsprozesse vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Deutschland und die Niederlande im Vergleich 5); 400 S.; brosch., 39,90 €; ISBN 978-3-8309-2387-9
Diss. Münster; Begutachtung: D. Thränhardt, C. Frantz. – Korporatistische Strukturen, die bis vor kurzem noch gerne als altbackene Überbleibsel der alten Bundesrepublik angesehen wurden, erleben in der deutschen Migrationspolitik eine erstaunliche Renaissance. Dafür stehen die nach dem Antritt der großen Koalition im Jahr 2005 eingerichteten Gremien Islamkonferenz und Integrationsgipfel. In ihrer informativen Arbeit vergleicht Musch die dabei auftretenden Staat-Verbände-Strukturen mit denen in den Niederlanden, die eine wesentlich längere Tradition einer expliziten Integrationspolitik aufweisen. Ihre Forschungsfrage lautet: „Welche Rolle spielt der Staat, und hier konkret Regierung und Verwaltung, bei der Herausbildung und Institutionalisierung der Interaktion zwischen Staat und Migrantenverbänden in den Niederlanden und in Deutschland?“ (10) Theoretisch greift Musch auf das auf Gerhard Lehmbruch zurückgehende Konzept der administrativen Interessenvermittlung zurück. Mit ihrer schlüssigen und umfassenden Analyse kann Musch interessante Unterschiede zwischen beiden Ländern aufzeigen: „Während in den Niederlanden korporatistische Verhandlungsrunden und das Parteiensystem als von einander getrennte autonome Subsysteme gelten können, handelt es sich in Deutschland um ein eher symbiotisches Verhältnis der beiden Subsysteme zueinander. […] Nationale Unterschiede können über historisch gewachsene Muster der Problembearbeitung erklärt werden.“ (336 f.) In theoretischer Hinsicht bieten die „Neokorporatismusforschung und das Konzept der Administrativen Interessenvermittlung […] Erklärungen dafür, warum die niederländischen und deutschen Regierungen Migrantenverbände und Religionsverbände stark zeitversetzt und über unterschiedliche Organisationsformen und Konsultationsverfahren politisch eingebunden haben“ (345). Aufgrund der starken „nationalen Pfadabhängigkeiten“ könne „zumindest im deutsch-niederländischen Vergleich nicht von einer Policy-Konvergenz ausgegangen werden“ (346). Es bleibt die Frage nach dem demokratischen Eigenwert der beschriebenen Strukturen. Diesbezüglich steht Muschs Ansatz für ein konsensuelles Politik- und Demokratieverständnis. Für die notwendige Debatte über die Wirkungsweise vermeintlich konsensstiftender korporatistischer Gremien im Bereich der deutschen Migrations- und Integrationspolitik bildet die Arbeit insofern einen ersten, argumentativ stringenten Anknüpfungspunkt.
Markus Linden (LIN)
Dr., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, SFB 600 - Teilprojekt C7 "Die politische Repräsentation von Fremden und Armen", Universität Trier.
Rubrizierung: 2.2632.3432.232.35 Empfohlene Zitierweise: Markus Linden, Rezension zu: Elisabeth Musch: Integration durch Konsultation? Münster u. a.: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33598-integration-durch-konsultation_40227, veröffentlicht am 24.05.2012. Buch-Nr.: 40227 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken