Kernenergie als "goldene Brücke"? Verfassungsrechtliche Probleme der Aushandlung von Laufzeitverlängerungen gegen Gewinnabschöpfungen. Gutachten erstellt im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Während der im Juni 2000 gefundene Atomkonsens I die Regelung des Ausstiegs aus der Nutzung der Kernenergie vorsah, wurde diese im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP im Oktober 2009 als Brückentechnologie charakterisiert und die Laufzeiten deutscher Kernkraftwerke bis zu einem verlässlichen Ersatz durch erneuerbare Energien verlängert. Ob die durch die Bundesregierung angestrebte Vereinbarung mit den Energieversorgungsunternehmen verfassungsgemäß ist, haben die beiden Autoren in einem Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesumweltministeriums untersucht, das in diesem Band dokumentiert wird. Vor dem Hintergrund finanzverfassungsrechtlicher Vorgaben prüfen sie zum einen, welche Möglichkeit der Abschöpfung von Sondergewinnen bestehen, die durch eine Laufzeitverlängerung erzielt werden, und zum anderen die Verfassungs- und Europarechtskonformität einer Kernbrennstoffsteuer. Zudem fragen Waldhoff und Aswege, ob eine konsensuale Vereinbarung zwischen dem Staat und den Atomkrafterzeugern zur Vorbereitung einer formellen Novellierung des Atomgesetzes verfassungsrechtliche Probleme aufwirft. Erläutert werden die rechtlichen Rahmenbedingungen, die die Bundesregierung in ihrem neuen Energiekonzept beachten muss. Die Autoren gelangen zu folgenden Ergebnissen: 1. „Die Kombination einer Sondergewinnabschöpfung, welche die durch eine Laufzeitverlängerung erzielten Zusatzgewinne erfasst, um daraus die Erforschung bzw. Anwendung erneuerbarer Energien zu fördern, ist finanzverfassungsrechtlich nicht möglich.“ (55) 2. Die Erhebung einer Kernbrennstoffsteuer als einer Verbrauchssteuer wird für verfassungs- und europarechtskonform gehalten. 3. Insgesamt wird ein weiterer Atomkonsens „nicht nur als ‚Störfaktor’ im grundgesetzlichen System der Gewaltenteilung“ (83) gesehen, sondern er würde auch Grundfragen der parlamentarischen Demokratie „strapazieren“ (84) und hätte verheerende verfassungspolitische Auswirkungen.