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Christian Gerlach

Extrem gewalttätige Gesellschaften. Massengewalt im 20. Jahrhundert. Aus dem Amerikanischen von Kurt Baudisch

Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 2011; 576 S.; 39,99 €; ISBN 978-3-421-04321-4
Gerlach arbeitet als Professor am Historischen Institut in Bern. In seiner neuesten Studie versucht er zu klären, was in Gesellschaften vor, während und nach Genoziden geschieht. Hierbei liegt das Hauptaugenmerk darauf, die soziale Wurzel der Massenvernichtung zu finden. Gerlach fragt nach den Beweggründen zur Ausübung von Gewalt und der Gefahr, Opfer eines solchen Gewaltausbruchs zu werden. Seine Studie liefert dazu ausgedehnte empirische Beispiele. Im ersten Teil rekonstruiert Gerlach den Prozess der partizipatorischen Gewalt – also der Beteiligung einer oder mehrerer staatlicher Institutionen an der Gewaltausübung – am Beispiel des Massenmordes in Indonesien 1965/66 und der Vernichtung der Armenier. Im Kapitel über die Vernichtung der Armenier untersucht der Autor eine bestimmte Art von Motiven für die Teilnahme breiter Bevölkerungsschichten an der Gewalt. In diesem Fall führten Raub und Sozialneid zu Plünderungen und Enteignungen. So wurden Armenier zunehmend kollektiv als illoyal und als Bedrohung für die territoriale Integrität und wirtschaftliche Souveränität des Landes dargestellt. Im nächsten Schritt seiner Arbeit begutachtet er weitere Ursachen, die zur Ausübung von Gewalt führen können. Anhand des Massenmordes in Bangladesh 1971-1977 versucht er aufzuzeigen, wie sich Krisen in Form von Hungersnöten oder Rivalitäten zwischen Eliten zu einem Genozid entwickeln können. In diesem Zusammenhang werden auch Phänomene wie strategische Umsiedlungen und Guerillabekämpfungen thematisiert. Im letzten Teil seiner Studie kommt der Autor zu dem Schluss, dass Gewaltphänomene in Form von Massengewalt am ehesten in Prozesscharakteren untersucht werden können. Dabei wird weniger Wert auf die Zusammenhänge von unterschiedlichen Genoziden gelegt, sondern mehr auf gesellschaftsinterne Prozesse wie z. B. die Frage welche Auswirkungen Krisen auf eine gewalttätige Gesellschaft haben? So können unterschiedliche krisenverstärkende Momente wie etwa Hungersnöte oder Ausgrenzung besser erkannt und präventive Schritte dagegen eingeleitet werden.
Mario-Gino Harms (MGH)
Dipl.Pol., wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.25 | 2.61 | 2.63 | 2.68 | 2.312 Empfohlene Zitierweise: Mario-Gino Harms, Rezension zu: Christian Gerlach: Extrem gewalttätige Gesellschaften. Stuttgart: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33427-extrem-gewalttaetige-gesellschaften_39997, veröffentlicht am 29.09.2011. Buch-Nr.: 39997 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken