Sexuelle Politiken. Die Diskurse zum Lebenspartnerschaftsgesetz
Politikwiss. Diss. Wien; Gutachterinnen: B. Sauer, E. Kreisky. – Die Forderung nach der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare hat nicht nur in der Öffentlichkeit für kontroverse Auseinandersetzungen geführt, sondern war und ist auch innerhalb der Schwulen- und Lesbenbewegung ein heftig umstrittenes Thema. Die vertretenen Positionen reichen von einer grundsätzlichen Ablehnung der ehelichen Institution über bürgerrechtliche Argumente für die gleichgeschlechtliche Ehe bis hin zur „Anerkennung der Homo-Ehe als Chance zur Unterwanderung von Geschlechter-Normen“ (193), schreibt die Autorin. Aus diskursanalytischer Perspektive legt sie die verschiedenen Strömungen mit ihren jeweiligen Zielen, Werten und sexuellen Politiken offen, wobei sie zwischen institutionellen und nicht-institutionellen Initiativen sowie zwischen Schwulen- und Lesbenbewegung(en) differenziert. Sie zeichnet die parlamentarische Debatte um das Lebenspartnerschaftsgesetz nach und fragt, ob damit lediglich die Integration von Schwulen und Lesben in die bestehende Geschlechter- und Sexualordnung erfolgt oder aber ein grundlegender Wandel heteronormativer Wertvorstellungen eingeleitet wird. Die Policy-Analyse des Lebenspartnerschaftsgesetztes stellt nur einen Teil der Arbeit dar und dient der Autorin als Anwendungsbeispiel. Ihr ist ein ausführlicher Theorieteil vorangestellt, in dem Raab das Verhältnis von Staat, Geschlecht und sexueller Identität betrachtet. Mit Bezug auf die Queer-Theorie unterstreicht sie den Konstruktionscharakter von Identitäten; dadurch seien sie als Gegenstand von Politikprozessen erforschbar. Sie verbindet die queere Denkweise mit feministischen staatsanalytischen Ansätzen und entwickelt Grundzüge eines queeren Staatskonzeptes. Raab gelingt es dabei, mitunter schwierige und abstrakte Sachverhalte verständlich und instruktiv aufzubereiten. Durch die Verknüpfung von queerer Staatstheorie und diskursanalytischer Policy-Analyse lassen sich, so Raab, „neue Erkenntnisse in der Erforschung politischer Prozesse“ erzielen: So verweise die „politische Verlaufsform der Homo-Ehe-Forderung“ auf einen fundamentalen Wandel von Homosexualität, „der als ein Prozess von der Diskriminierung über die Institutionalisierung hin zur neoliberalen Verdinglichung und Vereinnahmung von Lesben und Schwulen zu bezeichnen ist“ (322).