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Axel Groenemeyer (Hrsg.)

Wege der Sicherheitsgesellschaft. Gesellschaftliche Transformationen der Konstruktion und Regulierung innerer Unsicherheiten

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2010; 360 S.; 34,95 €; ISBN 978-3-531-17798-4
„No, I don't have fear of crime, but I'm not stupid.“ Was Groenemeyer in der Einleitung zu seinem Sammelband als Zitat eines „holländischen Kollegen“ (11) wiedergibt, wirft ein interessantes Schlaglicht auf unseren alltäglichen Umgang mit dem Thema Sicherheit. Unsicherheit, Kriminalität und Terror machen – auch wenn sie immer seltener persönlich erfahren und durchlitten werden – eine Konstruktion von Sicherheit erforderlich, die durch eine quasi totale, permanente und durch alle Bürger jederzeit auszuübende Praxis Unsicherheit ausschließt. Was seit Hobbes Privileg des Staates war, nämlich allgemein verbindlich Sicherheit herzustellen, ist in der Sicherheitsgesellschaft zu einem allgegenwärtigen, durchgängigen Topos geworden. In diesem Band wird diese Allgegenwärtigkeit der Sicherheit in sechs Aspekte aufgeschlüsselt, womit in einem empirisch noch wenig gesicherten Forschungsbereich zu einer „empirisch gesättigten“ (18) Diagnose beigetragen werden soll. Dass eine gefühlte Unsicherheit eine Grundkonstante moderner Gesellschaften darstellt, ist dabei ebenso wenig überraschend wie die Feststellung, dass die Politik sich dieser gefühlten Unsicherheit bedient, um in Wahlkämpfen zu mobilisieren. Auch die zunehmende Privatisierung von Sicherheitsdienstleistungen sowie die damit verbundene Segregation des öffentlichen Raumes ist kein neues Phänomen. Interessant hingegen ist die Analyse der Verschiebung von sozialstaatlichen hin zu punitiven Praktiken, wie sie Fritz Sack und Albert Scherr in ihren Aufsätzen thematisieren: Der Staat nimmt Abstand vom Primat der Sozialstaatlichkeit und der Resozialisierung und verschärft stattdessen die Sanktionen für Straftaten. Zudem stellt sich die Frage, inwieweit angesichts einer Pluralisierung der Lebensentwürfe, die schon Ulrich Beck 1986 festgestellt hatte, gegenwärtig alternativen oder abweichenden Lebensentwürfen überhaupt noch Toleranz entgegengebracht wird. Schließlich werfen die Autoren einen Blick über die rein national verfasste, kriminologisch akzentuierte Analyse von Sicherheit hinaus: In einer Zeit, in der, wie Groenemeyer mit Blick auf Peter Struck festhält, die deutsche Sicherheit am Hindukusch verteidigt werde, sei letztlich nur noch eine globalisierte und transnationalisierte Analyse der Sicherheitsgesellschaft tragfähig. Insgesamt handelt es sich um einen gut zu lesenden Band, der auch für Erstkontakte mit dem Thema Sicherheitsgesellschaft empfehlenswert ist.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.2 | 2.21 | 2.22 | 2.333 | 2.35 | 2.4 | 4.41 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Axel Groenemeyer (Hrsg.): Wege der Sicherheitsgesellschaft. Wiesbaden: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33221-wege-der-sicherheitsgesellschaft_39718, veröffentlicht am 19.01.2011. Buch-Nr.: 39718 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken