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Thomas Weitin (Hrsg.)

Wahrheit und Gewalt. Der Diskurs der Folter in Europa und den USA

Bielefeld: transcript Verlag 2010 (Kultur- und Medientheorie); 293 S.; 29,80 €; ISBN 978-3-8376-1009-3
Wer sich mit dem Thema Folter intensiv beschäftigen will, der sollte zu diesem Band des Konstanzer Juniorprofessors für deutsche Literatur Weitin greifen. Darin kommen lediglich zwei Juristen zu Wort, ansonsten stammen die Beiträge überwiegend von Germanisten, Medienwissenschaftlern und zum Teil auch von Historikern. Gewalt wird hier als „Grenzbegriff“ (11) verstanden, denn Gewalt bewege sich in einer Grauzone; bei der Beweiserzwingung habe seit jeher der psychische und verbale Druck die entscheidende Rolle gespielt. Diese Form von Gewalt sei jedoch von der Abschaffung der Folter nicht nur nicht betroffen gewesen, sondern nach dem Verbot sei sie „verstärkt in den Vordergrund“ (10) getreten, sodass der Herausgeber die These wagt, die Aufklärung habe die Foltergewalt nicht abgeschafft, sondern transformiert. An diese Ausgangsthese schließen sich im ersten Abschnitt grundlegende rechtliche Betrachtungen der Folterdiskussion an, wie etwa zur Frage der Menschenwürde. Der Schwerpunkt des zweiten Teils liegt auf Europa: Analysiert werden Folter und Martyrologie aus literarischer Sicht, Jean Amérys Essay über die Tortur im Film sowie Folterszenen in Filmen und Fernsehsendungen. Danach erhält die US-amerikanische Diskussion zur Folter Raum und wird vor allem im Hinblick auf die ihr eigene Bildpolitik historisiert. Dabei geht es um die Wirkung der um die Welt gegangenen Aufnahmen aus Abu Ghraib und die Praxis des Lynchens sowie der Todesstrafe in den USA im frühen 20. Jahrhundert; schließlich wird die Geschichte des Lügendetektors in den USA zwischen 1940 und 1940 nachgezeichnet. Die Lügendetektion sei ein Element der Folter, sie werde zur Option, „wenn der sprachliche Austausch zwischen ermittelnder Instanz und Verdachtsperson zu versagen scheint“ (225). Insgesamt zeige sich, dass die Gewalt global viele Gesichter hat, deren verheerende Auswirkungen sich gerade erst abzeichnen.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 4.42 | 2.61 | 2.64 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Thomas Weitin (Hrsg.): Wahrheit und Gewalt. Bielefeld: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33204-wahrheit-und-gewalt_39698, veröffentlicht am 06.04.2011. Buch-Nr.: 39698 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken