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Karen Jaehrling / Clarissa Rudolph (Hrsg.)

Grundsicherung und Geschlecht. Gleichstellungspolitische Befunde zu den Wirkungen von 'Hartz IV'

Münster: Westfälisches Dampfboot 2010 (Arbeit – Demokratie – Geschlecht 13); 248 S.; 27,90 €; ISBN 978-3-89691-866-6
In zahlreichen empirischen Studien sind seit der Einführung des SGB II die Auswirkungen von Hartz IV auf Wachstum, Beschäftigung und individuelle Lebenslagen untersucht worden. Einige Ergebnisse, bei denen insbesondere die Konsequenzen für das Geschlechterverhältnis und die Situation von Frauen im Mittelpunkt stehen, werden in diesem Band präsentiert. Bislang hat die Gendersensibilität des Übergangs vom vorsorgenden zum aktivierenden (erwerbszentrierten) Sozialstaat in der öffentlichen – wie auch der wissenschaftlichen – Debatte eine eher untergeordnete Rolle gespielt. Dies überrascht, greifen doch Neuerungen wie etwa die haushaltsbezogene Bedürftigkeitsprüfung unmittelbar in bestehende Geschlechterhierarchien ein. Die Reformen, die mit dem SGB II umgesetzt wurden, haben in diesem Zusammenhang mindestens drei potenzielle Spannungsfelder geöffnet. Das Prinzip der Re-Kommodifizierung von Sozialleistungen kann sich dabei negativ auf weibliche Erwerbsverläufe auswirken, indem Frauen unter dem Druck schneller Beschäftigungsaufnahme noch stärker als zuvor in traditionell ohnehin schon weiblich dominierte Niedriglohnsegmente verdrängt werden. Umgekehrt können bislang nicht erwerbstätige Frauen von dem Aktivierungsansatz aber auch profitieren. Ähnlich ambivalent zeigt sich die Situation im Bereich des Verhältnisses zwischen Erwerbs- und Reproduktionssphäre sowie mit Blick auf eine potenziell nachrangige Behandlung von Frauen, was den Leistungsbezug betrifft (führt der Haushaltsbezug der Leistungen doch dazu, dass mit einem ausreichenden Einkommen des männlichen Partners sämtliche Ansprüche erlöschen). Alle Beiträge sind an diesen drei Spannungsfeldern orientiert. Die Autoren analysieren die geschlechtsspezifischen gesellschaftlichen Leitbilder und Rahmenbedingungen, die Auswirkungen bestehender Geschlechterhierarchien auf die Umsetzung der Reformen und die Konsequenzen für unterschiedliche weibliche Zielgruppen (Alleinerziehende, Migrantinnen, Nicht-Leistungsbezieherinnen). Schließlich werden potenzielle Perspektiven mit Blick auf die Koexistenz unterschiedlicher Lebens- und Arbeitsbereiche entwickelt. Alles in allem bietet das Buch sowohl einen umfassenden Einblick in gegenwärtige Debatten der Frauen- und Geschlechterforschung als auch empirisch fundierte Erkenntnisse über die Implementation und gesellschaftlichen Auswirkungen von Hartz IV.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.342 | 2.36 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Karen Jaehrling / Clarissa Rudolph (Hrsg.): Grundsicherung und Geschlecht. Münster: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33167-grundsicherung-und-geschlecht_39635, veröffentlicht am 15.02.2011. Buch-Nr.: 39635 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken