Staat und Verfassung. Einführung in die Allgemeine Staatslehre
Die Staats- und Verfassungslehre stehe „im Schatten der positiven Verfassungsrechtswissenschaft“, sodass „der Prinzipienwald der Staatstheorie vor den vielen Bäumen des technisch-positivistischen Verfassungsverständnisses schon gar nicht mehr erkannt“ und von Studierenden kaum „der Name des Faches richtig erklärt“ (7) werden kann. Dieser richtige und zugleich ernüchternde Befund der österreichischen Staatsrechtlerin gilt wohl gerade auch für Deutschland und wird hier von einer inzwischen nahezu lückenlosen verfassungsgerichtlichen Judikatur flankiert. Gamper hat daher in nunmehr überarbeiteter Auflage eine gelehrte und grundsolide Einführung zum Typus des „‚Verfassungsstaats abendländischer Prägung’“ (7) verfasst. Das Thema wird anhand des klassischen Literaturkanons und unter besonderer Berücksichtigung auch der österreichischen Lehre entfaltet. Aufgrund seiner klaren Systematik und der einschlägigen, zugleich aber nicht erschlagenden Literaturhinweise ist das Buch als Einführung geeignet. Trotzdem – oder vielleicht sogar deshalb – hätte man sich auch eine kritischere Reflexion über die etatistischen Schlagseiten des Faches gewünscht. Die Darstellung aber gerät insgesamt konservativ-traditionell: Es wird z. B. bei den Staatsformen weiter primär zwischen „Monarchien“ und „Republiken“ (137 ff.) unterschieden, in der für das Fach typischen Weise vom antiken bzw. mittelalterlichen „Staat“ (28 f.) gesprochen (letzterer dann aber merkwürdigerweise auf nicht einmal einer halben Seite abgehandelt) und Demokratie mit (vermeintlichem) Rückgriff auf Lincoln einfach als „Identität von Regierenden und Regierten“ (146) definiert – obwohl doch hier ideengeschichtlich nicht nur Rousseau, sondern vor allem auch Carl Schmitt lauert. Wenig erfährt man über aktuelle Kontroversen und Entwicklungen, etwa ob es überhaupt noch einer Staatslehre bedarf, oder über die Fragen, die Rechtspluralismus und Transnationalisierung aufwerfen, auch nichts z. B. über „Staat als Mythos“ (Ernst Cassirer) und die Implikationen von „Staat und Geschlecht“ (vgl. Ludwig/Sauer/Wöhl, Buch-Nr. 38026) – dabei ist Anna Gamper selbst überhaupt die erste Frau auf einem staatsrechtlichen Lehrstuhl an der Universität Innsbruck.