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Bernd Greiner / Christian Th. Müller / Claudia Weber (Hrsg.)

Ökonomie im Kalten Krieg

Hamburg: Hamburger Edition 2010 (Studien zum Kalten Krieg 4); 528 S.; 35,- €; ISBN 978-3-86854-225-7
Die ökonomische Seite der Außenpolitik in den Zeiten des Kalten Kriegs und damit auch die Interdependenzen wirtschaftlichen Handelns im globalen Maßstab stehen im Mittelpunkt der 25 Beiträge, die im Rahmen des Forschungsbereichs „Theorie und Geschichte der Gewalt“ am Hamburger Institut für Sozialforschung entstanden. Abgebildet wird dabei die Debatte um wirtschaftlichen Nutzen oder Ressourcenvernichtung im und durch den Kalten Krieg. Die Autoren beobachten eine riesige Mittelallokation durch den Staat, die für andere als Verteidigungszwecke kaum zu rechtfertigen gewesen wäre (in den USA) oder die eine technologische Fokussierung erlaubte (in der UdSSR). Was letztlich die Überlegenheit der USA in wirtschaftlicher Hinsicht ausmachte, war die Verflechtung ziviler und militärischer Ökonomie. In der UdSSR nahm der Militärhaushalt dagegen einen immer größeren Anteil am Bruttoinlandsprodukt ein. Aber die Autoren gehen über eine reine Gegenüberstellung weit hinaus: Im ersten Abschnitt stehen die Auswirkungen des Kalten Kriegs auf die Dritte Welt im Mittelpunkt. Earl Conteh-Morgan stellt u. a. fest, dass die USA eine teleologische Modernisierungsideologie in ihre strategisch, politisch, ökonomisch oder entwicklungspolitisch motivierten Interventionen projizierten. Da sich viele Staaten nach ihrer Befreiung von der Kolonialherrschaft nicht wieder einer der beiden Supermächte unterordnen wollten, entstanden häufig Mischformen sozialistischer Modelle mit Beteiligung am kapitalistischen Weltmarkt, so Roger E. Kanet. Im zweiten Abschnitt stehen die internen wirtschaftlichen Entwicklungen der antagonistischen Blöcke im Zentrum. Es zeigt sich, dass die Wirtschaft ein eigenes Terrain der Konfrontation war und die politische Ökonomie die Produktions- und in der Folge die politische Landschaft der USA veränderte. In der Sowjetunion übernahm das Militär hingegen viele zivile Aufgaben wie Straßen- oder Brückenbau und erfüllte mit seinem Versorgungsnetzwerk viele Konsumbedürfnisse. So sei die Konsumbilanz der UdSSR katastrophal gewesen, schreibt Stephan Merl, während sie gegenüber den USA bei der sozialen Sicherheit gleichwertig oder sogar überlegen gewesen sei. Der letzte Abschnitt versammelt Beiträge, in denen der wirtschaftliche Austausch innerhalb und zwischen den Blöcken betrachtet wird. Dabei kommt zutage, dass die Hybridisierung wirtschaftlicher Modelle auch die Handelbeziehungen, die immer wieder durch ideologisch motivierte Boykotte verformt wurden, transformierten. Die Auswirkungen der dadurch verzerrten Märkte auf die Länder der Dritten Welt waren – ebenso wie die ökologischen Folgen – erheblich.
Florian Peter Kühn (KÜ)
Dr., M. P. S., wiss. Mitarbeiter, Institut für Internationale Politik, Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg.
Rubrizierung: 4.43 | 4.1 | 4.44 | 4.2 Empfohlene Zitierweise: Florian Peter Kühn, Rezension zu: Bernd Greiner / Christian Th. Müller / Claudia Weber (Hrsg.): Ökonomie im Kalten Krieg Hamburg: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33026-oekonomie-im-kalten-krieg_39453, veröffentlicht am 15.12.2010. Buch-Nr.: 39453 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken