Europäische Staaten im Wettbewerb. Zur Transformation von Geschlechterordnungen im Kontext der EU
Diss. Wien; Gutachterinnen: E. Kreisky, B. Sauer. – Mithilfe einer Zusammenführung materialistischer und feministischer Staatstheorien untersucht die Autorin die gegenwärtigen Transformationsprozesse europäischer Staatlichkeit, wobei sie die Frage nach der geschlechtsspezifischen Strukturierung dieser Prozesse in den Mittelpunkt stellt. Mit dem Anspruch, ein gendersensibles theoretisches Gerüst staatlichen Wandels zu entwickeln, greift Genetti eine Forschungslücke auf, die trotz mehrerer Jahrzehnte feministischer Studien unverändert weiter besteht. Waren es bislang vor allem die Auswirkungen des Staates auf gesellschaftliche Geschlechterhierarchien, die im Mittelpunkt des Interesses standen, so lässt sich dennoch konstatieren, dass umgekehrt „die geschlechtsspezifische Verfasstheit [der] aktuellen politökonomischen Transformationsprozesse“ (17) und die Frage nach der Einschreibung von Geschlechterverhältnissen in die staatlichen Institutionen bislang nur wenig Aufmerksamkeit erfahren hat. Im (sehr ausführlichen) theoretischen Teil versucht sie zunächst, materialistische und feministische Staatstheorien zu verknüpfen, bevor sie ihr besonderes Augenmerk auf staatliche Internationalisierungsprozesse vor dem Hintergrund von Globalisierung und europäischer Integration richtet. Am Beispiel der europäischen Forschungs- und Wissenschaftspolitik werden die entwickelten analytischen Werkzeuge schließlich empirisch überprüft. Allerdings kann die Autorin ihren selbstgestellten Ansprüchen nur partiell gerecht werden. Zwar bietet sie einen überzeugenden Einstieg in die theoretischen Debatten zur Transformation europäischer Staaten wie auch zur feministischen Staatsliteratur. Die theoretische Verknüpfung gelingt jedoch nur teilweise; eher bleibt es bei einer parallelen Existenz kritischer Staatstheorie mit feministischen Gesellschaftsanalysen; der (sehr kurze) empirische Teil verharrt bei einer dokumentenbasierten Analyse der impliziten geschlechtsspezifischen Bedeutung europäischer Politiken. Das ist schade, denn es handelt sich hier um eine sicherlich absolut überfällige Fortentwicklung moderner Staatstheorie. Dennoch bietet das Buch viele sinnvolle Einstiege und Anknüpfungspunkte.