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Clemens Kroneberg

Die Erklärung sozialen Handelns. Grundlagen und Anwendung einer integrativen Theorie

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2011 (Neue Bibliothek der Sozialwissenschaften); 358 S.; 34,95 €; ISBN 978-3-531-17389-4
Diss. Mannheim; Begutachtung: H. Esser, F. Kalter. – Die Sozialwissenschaften verfügen mit Ausnahme des – auf stark vereinfachenden Grundannahmen aufbauenden – Rational-Choice-Ansatzes praktisch über kein umfassendes und in sich geschlossenes Modell zur Erklärung individuellen Handelns. Kroneberg greift das von Hartmut Esser in Ansätzen vorgelegte Modell der Frame-Selektion auf und entwickelt dieses unter Rückgriff auf politikwissenschaftliche, soziologische und psychologische Schriften weiter. Zwar lässt sich Kronebergs Modell durchaus als Erweiterung und Fortführung des Rational-Choice-Ansatzes charakterisieren, er zeigt jedoch auch überzeugend dessen Leerstellen auf. Mit den Begriffen der Situationsdefinition sowie der variablen Rationalität diskutiert er zunächst ergänzend die beiden zentralen Paradigmen soziologischer Handlungstheorien. Darauf aufbauend wird anschließend das Modell der Frame-Selektion vorgestellt und um wesentliche Aspekte ergänzt. Grundlegend unterscheidet das Modell zwischen drei – bewusst oder unbewusst ablaufenden – Phasen der Selektion: die Selektion eines Frames, also eines Rahmens, welcher eine grundlegende Deutung der aktuellen Situation erlaubt; zweitens die Selektion eines Skripts, also eines gängigen Handlungsprogrammes, welches der Situation angemessen erscheint; und schließlich die Selektion einer Handlungsalternative. Auf der theoretischen Diskussion aufbauend, entwickelt der Autor eine Reihe allgemeiner Hypothesen mit Blick auf – von der konkreten Situation unabhängige – zu erwartende Handlungsmuster. Am Beispiel zweier Fallstudien (Wahlteilnahme in Demokratien, Rettung von Juden im Zweiten Weltkrieg) werden diese anschließend empirisch überprüft. Alles in allem legt Kroneberg eine lesenswerte theoretische Analyse zu einer bislang zu stark vernachlässigten Frage vor, welche als Ausgangspunkt für eine weitere Behandlung der Thematik ihre Aufgabe erfüllt. Insofern lässt sich auch verkraften, dass der Autor die von ihm kritisierten Probleme bisheriger Ansätze teilweise reproduziert, was bei einer derartig komplexen Thematik aber auch kaum zu vermeiden ist.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 5.45 | 2.22 | 2.312 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Clemens Kroneberg: Die Erklärung sozialen Handelns. Wiesbaden: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32951-die-erklaerung-sozialen-handelns_39362, veröffentlicht am 08.12.2011. Buch-Nr.: 39362 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken