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Jan Schedler / Alexander Häusler (Hrsg.)

Autonome Nationalisten. Neonazismus in Bewegung

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2011 (Edition Rechtsextremismus); 328 S.; 34,95 €; ISBN 978-3-531-17049-7
Radikale Crossovers, die sich gegen eine einfache Links-Rechts-Zuordnung sperren, hat es z. B. mit Spenglers „Preußentum und Sozialismus“, den Nationalbolschewisten, der Konservativen Revolution oder auch dem sogenannten linken Flügel der NSDAP zwar schon im ideologischen Experimentierkasten der Weimarer Republik gegeben. Seit einigen Jahren taucht aber als neues Phänomen ein rechtsextremistischer Schwarzer Block auf, der sich am Habitus der Linksautonomen bedient. Im Mittelpunkt des Sammelbands stehen die Genese dieser Autonomen Nationalisten (AN), deren historische Bezüge und unterschiedliche regionale Entwicklungen sowie Ideologie, Selbstbilder, Lebenswelt und Beziehungen zur NPD bzw. zur sogenannten Kameradschaftsszene. In theoretischer Perspektive distanzieren sich die Herausgeber dabei von einem Extremismuskonzept, wie es vom Verfassungsschutz, von Backes/Jesse (Jahrbuch Extremismus & Demokratie) oder auch Pfahl-Traughber (Jahrbuch Extremismus- und Terrorismusforschung) vertreten wird. So kritisiert Häusler in seinem Beitrag „Die ‚Autonomen Nationalisten’ im Spiegel der Extremismusforschung“ (167) die alle Unterschiede einebnende Gleichsetzung und das permanente Verdächtigen linksradikaler Protestkultur. Er wendet sich speziell gegen eine parallelisierende Beschreibung von AN und Linksautonomen. Wenngleich Sinn und Grenzen des Extremismusbegriffs weiter kontrovers bleiben werden, legen Schedler und Häusler mit diesem Band die erste umfangreiche wissenschaftliche Bestandsaufnahme vor, die jenseits dieses Streits gerade hinsichtlich ihrer Informationsfülle und der unterschiedlichen Informationszugänge der beteiligten Autorinnen und Autoren lesenswert ist. In ihrer abschließenden Bewertung ordnen sie das Phänomen als „‚nachholende Modernisierung’“ ein; letztendlich aber werde den AN kein weiterer Erfolg beschieden sein, zum einen, weil „sie sich auf mittlerweile überholte Inszenierungsformen der linksradikalen Bewegungen der 1990er Jahre fixiert haben“; zum anderen, weil der „Autonomiebegriff lediglich oberflächlich instrumentalisierbar ist für jugendkonforme Modernisierungsversprechen und politisch-inhaltlichen Neubestimmungen im Neonazismus zuwider läuft“ (320 f.). Darüber ließe sich wiederum trefflich streiten, war doch die NS-Diktatur selbst zu einem großen Teil von den Widerspruch von Antimoderne und Moderne geprägt (vgl. Riccardo Bavaj: Die Ambivalenz der Moderne im Nationalsozialismus, München 2003, siehe Buch-Nr. 23467).
Robert Chr. van Ooyen (RVO)
Dr., ORR, Hochschullehrer für Staats- und Gesellschaftswissenschaften, Fachhochschule des Bundes Lübeck; Lehrbeauftragter am OSI der FU Berlin sowie am Masterstudiengang "Politik und Verfassung" der TU Dresden.
Rubrizierung: 2.37 | 2.25 | 2.61 | 2.312 Empfohlene Zitierweise: Robert Chr. van Ooyen, Rezension zu: Jan Schedler / Alexander Häusler (Hrsg.): Autonome Nationalisten. Wiesbaden: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32944-autonome-nationalisten_39351, veröffentlicht am 23.06.2011. Buch-Nr.: 39351 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken