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Jean Feyder

Mordshunger. Wer profitiert vom Elend der armen Länder? Aus dem Französischen von Michael Bayer und Enrico Heinemann

Frankfurt a. M.: Westend Verlag 2010; 336 S.; 24,95 €; ISBN 978-3-938060-53-7
Über eine Milliarde, „also fast einer von sechs Menschen“ (12), hungert oder ist mangelernährt – und entgegen den im Jahr 2000 verabschiedeten Millennium Development Goals weitet sich die Armut aus. Konkret wählt Jean Feyder, u. a. seit 2007 bei der WTO Vorsitzender des Komitees für die am wenigsten entwickelten Länder, die Ernährungskrise von 2007/2008 zum Ausgangspunkt seiner Analyse dieses alarmierenden Zustandes. Seine Erklärung, die er für den Hunger in der Welt findet, geht weit über die Nennung von Misswirtschaft und Korruption als Ursachen hinaus. Feyder stellt vor allem die unter den Stichworten „Privatisierung, Deregulierung und Liberalisierung“ (15) zu fassende Politik in den Mittelpunkt, die den verschuldeten Entwicklungsländern seit den 80er-Jahren als Gegenleistung für Wirtschaftshilfe und Kredite von Weltbank und IWF abverlangt wurde. Die Entwicklungsländer wurden angehalten, Handelsbarrieren sowie Subventionen in der Landwirtschaft abzubauen. Feyder beschreibt, wie so das Interesse an einer sinnvollen Förderung der Landwirtschaft verloren ging, Saatagenturen und Vertriebssysteme wurden unter internationalem Druck privatisiert und verloren ihre wichtige Funktion bei der Unterstützung der Kleinbauern. Dieses Entwicklungsmodell zwang viele – darunter mehrheitlich Frauen – zum Abstieg in die „Hölle“ (17) der Elendsviertel. Feyder hat keinerlei Verständnis für diese Politik – vor allem nicht angesichts der Tatsache, dass US-amerikanische und europäische Landwirte weiterhin umfangreich subventioniert und vor Konkurrenz geschützt werden. Die Politik der reichen Länder gegenüber den Entwicklungsländern erscheint damit skrupellos. Feyder fordert daher entgegen des vorherrschenden neoliberalen Wirtschaftsmodells eine aktive Rolle des Staates gerade in den armen Ländern bei der Koordination der Wirtschaftstätigkeit. Neben der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung sollte dabei die Landwirtschaft gefördert werden, auch, indem diese Länder ihre Märkte schützen dürfen – die Staaten Europas hätten dies schließlich auch Jahrhunderte lang getan. Wichtig seien zudem faire Preise, die sowohl Konsumenten als auch Produzenten ein Überleben ermöglichen. Das internationale Finanz- und Währungssystem, das den gegenwärtigen Hunger maßgeblich mitverschuldet habe, sei tiefgreifend zu reformieren. Feyder plädiert schließlich auf die Garantie des Rechts, „dass jeder die Möglichkeit hat, sich selbst ernähren zu können“ (116).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 4.44 | 4.45 | 4.43 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Jean Feyder: Mordshunger. Frankfurt a. M.: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32926-mordshunger_39327, veröffentlicht am 27.10.2011. Buch-Nr.: 39327 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken