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Eckhard Jesse / Thomas Schubert (Hrsg.)

Zwischen Konfrontation und Konzession. Friedliche Revolution und deutsche Einheit in Sachsen

Berlin: Ch. Links Verlag 2010; 388 S.; 34,90 €; ISBN 978-3-86153-608-6
„Den Maueröffner Schabowski gibt es nicht. Geöffnet wurde die Grenze auf Entschluss der diensthabenden Offiziere vor Ort, ohne Befehl von oben.“ (189) Hans Modrow nutzt seinen Beitrag zur Klarstellung aus seiner Sicht. Als ähnlicher Fehlgriff der Geschichte kommt Gorbatschow davon, der nicht nur unvorbereitet in wichtige Gespräche gegangen sei, sondern nun auch noch „einen guten Batzen Geld“ (201) für seine Vorträge kassiere. Insgesamt ist Modrows Beitrag, in dem er auch kritisiert, dass der damalige Bundespräsident Köhler im Oktober 2009 den drei Vätern der deutschen Einheit, Gorbatschow, Kohl und Bush, dankte und dabei das ostdeutsche Volk vergaß, eher übergreifend auf Revolution und Einheit und nur teilweise auf die Ereignisse in Sachsen bezogen. Dies entspricht, anders als der Untertitel vermuten lässt, der Intention von Jesse und Schubert, die in Chemnitz zu einer Ringvorlesung eingeladen hatten. Die Vortragenden waren gebeten, über ihre Person sowie ihre damalige und heutige Position zu sprechen und eine allgemeine Einordnung von Mauerfall und Einheit sowie mit Blick auf Sachsen vorzunehmen. Neben Modrow waren ein weiterer ehemaliger SED-Funktionär und ein Vertreter einer ehemaligen Blockpartei eingeladen, außerdem drei Historiker sowie zehn Referenten, die 1989 zu den Kritikern des sogenannten realen Sozialismus gehört hatten. Mit den Beiträgen wird damit ein breites Meinungsspektrum abgedeckt. Ob es Modrow allerdings gelingen wird, Schabowski seinen Status zu nehmen, darf bezweifelt werden. Sicher habe dieser die Öffnung der Grenze unwissentlich und unwillentlich ausgelöst, schreibt Frank Richter, der, damals noch als Priester, an der Revolution in Dresden beteiligt war. Schabowskis historische Rolle aber, so liest es sich aus Richters Ausführungen heraus, ergibt sich nicht allein aus dessen Auslassungen auf jener Pressekonferenz, sondern nur in Verbindung damit, dass er zu den wenigen Funktionären gehört, die sich intensiv mit ihrer Rolle in der DDR auseinandergesetzt haben.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.314 | 2.325 | 2.315 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Eckhard Jesse / Thomas Schubert (Hrsg.): Zwischen Konfrontation und Konzession. Berlin: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32914-zwischen-konfrontation-und-konzession_39315, veröffentlicht am 02.02.2011. Buch-Nr.: 39315 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken