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Enver Sopjani

Die politisch-militärische und polizeiliche Rolle der internationalen Gemeinschaft in Kosova ab 1999. Ist die internationale Gemeinschaft "erfolgreich gescheitert"?

Berlin: Lit 2010 (Internationale Politik 4); 249 S.; 24,90 €; ISBN 978-3-643-10752-7
Politikwiss. Diss. Hannover; Gutachter: I. Ahlers. – Sopjani schildert einen „einzigartigen Sonderfall“ (22), da den kosovarischen Institutionen von der internationalen Gemeinschaft seit der Unterstellung des Landes unter die Verwaltungshoheit der Vereinten Nationen 1999 die Übernahme von Kompetenzen verwehrt wurde und zum Teil noch verwehrt wird. Als herausragendes Beispiel dient ihm die Polizei, deren Aufbau im Mittelpunkt dieser Studie steht, eingebettet in den Kontext der politisch-militärischen und polizeilichen Rolle, die die internationale Gemeinschaft im Kosovo spielt. Er kritisiert zudem, dass auf Druck von außen den Minderheiten (zu) weitreichende Rechte zugestanden wurden. Als größtes Ärgernis beschreibt Sopjani, dass sich in den serbischen Enklaven eigene politische und polizeiliche Strukturen herausbilden konnten. Diese Enklaven seien das größte Hindernis bei der Bekämpfung von Kriminalität und Korruption, behauptet er. Zu seinen weiteren Kritikpunkten zählt, dass die internationalen Akteure vor allem eigene Interessen verfolgen würden und ihren Mitarbeitern, von denen viele „ihre eigenen kommerziellen Interessen“ (217) hätten, Immunität zugestanden werde. Insgesamt prangert Sopjani die parallelen Strukturen an, die durch die internationalen Institutionen und den Aufbau des kosovarischen Staates entstanden seien – und fordert die volle Souveränität des Landes. Die Studie liest sich wie eine Anklageschrift aus kosovarischer Sicht. Nur fehlt leider gänzlich eine kritische Reflexion der Motive der internationalen Gemeinschaft für das Zögern, diesem Land die volle Selbstverantwortung zu übertragen. Abgesehen etwa von völkerrechtlichen Schwierigkeiten hätte die – vom Autor pauschal den Serben zugeschriebene – Kriminalität (und die Schwierigkeit ihrer Bekämpfung) als ein Grund genannt werden können: Sopjani kritisiert zwar die bis 2008 unter internationaler Verantwortung stehende Strafverfolgung, kommentiert aber nicht einen Vergleich der Kriminalstatistik mit 12 EU-Staaten – und man liest mit Schrecken von einer extrem überdurchschnittlichen Mordrate (3,1 Morde auf 100.000 Einwohner, zum Vergleich in Deutschland: 1,1) und einer hohen Zahl an Entführungen. Insgesamt zeugt die gesamte Darstellung nicht davon, dass die volle Souveränität dem Land automatisch eine bessere Zukunft bescheren würde.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 4.41 | 4.3 | 2.61 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Enver Sopjani: Die politisch-militärische und polizeiliche Rolle der internationalen Gemeinschaft in Kosova ab 1999. Berlin: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32841-die-politisch-militaerische-und-polizeiliche-rolle-der-internationalen-gemeinschaft-in-kosova-ab-1999_39224, veröffentlicht am 08.12.2010. Buch-Nr.: 39224 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken