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Claus Christian Malzahn

Deutschland 2.0. Eine vorläufige Bilanz der Einheit

München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2010; 139 S.; 12,90 €; ISBN 978-3-423-24798-6
„Für die Neubürger des Prenzlauer Berges wurde am 9. November ein neues, attraktives Immobilienquartier erschlossen“, schreibt der westdeutsche Journalist Malzahn über die Auswirkungen des Mauerfalls. „Für Millionen Ostdeutsche wurde das Leben komplett auf den Kopf gestellt“ (40). Bei seinem Vorhaben, eine vorläufige Bilanz der Einheit aufzustellen, schweift er allerdings gelegentlich vom Thema ab – so konstruiert er etwa ein Szenario für „[b]lutige Auseinandersetzungen zwischen russischer Minderheit und baltischen Mehrheiten“ (110) in den NATO-Staaten Estland, Lettland und Litauen, die bei einem Eingreifen der russischen Armee auch Deutschland in einen „neuen Kalten Krieg“ (111) ziehen könnten. Im Rahmen seines eigentlichen Themas beschäftigt sich Malzahn mit Mythen, Fehlern und Irrtümern bei der Wiedervereinigung: „Der kardinale Irrtum bestand am Anfang wohl in der Annahme, dass ein substantieller Teil der DDR-Industrie lebensfähig sei“ (69). Aufgrund der ökonomischen Probleme in den neuen Ländern werde über „die Lebenswirklichkeit im Osten Deutschlands […] heute vor allem mit den Füßen abgestimmt. Wir erleben in manchen Gegenden eine Migration im eigenen Land“ (42). Der Autor verweist aber auch auf Erfolge: So seien bis 2005 im Osten „etwa 850.000 neue Unternehmen gegründet“ (84) worden. Das Erscheinungsbild der Städte habe sich so verbessert, dass man „vor Ehrfurcht in die Knie gehen“ (95) müsse. Den ostdeutschen Rentnern gehe es finanziell besser, sie seien „[d]ie großen Gewinner der Einheit“ (84). Leider gibt Malzahn, der Bundeskanzler Kohl vorwirft, die Deutschen 1990 nicht in einer „Blut-, Schweiß- und Tränenrede“ (51) auf bevorstehende Schwierigkeiten eingestimmt zu haben, nicht zu erkennen, ob aus seiner Sicht Fehler oder Erfolge überwiegen. Gegen Ende des Buches, das keine neuen Fakten enthält, konstatiert er, dass sich Ost und West bisher „viel nähergekommen [sind], als wir selbst zugeben wollen“ (99). In den nächsten Jahren stehe allerdings nun weniger die innere Einheit, sondern vor allem die „Integration“ (123) der aus dem Ausland zugezogenen Menschen auf der politischen Agenda.
Hendrik Träger (HT)
Dr., Politikwissenschaftler, Lehrkraft für besondere Aufgaben, Institut für Politikwissenschaft, Universität Magdeburg und Institut für Politikwissenschaft, Universität Leipzig.
Rubrizierung: 2.3 | 2.314 | 2.315 Empfohlene Zitierweise: Hendrik Träger, Rezension zu: Claus Christian Malzahn: Deutschland 2.0. München: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32830-deutschland-20_39210, veröffentlicht am 19.10.2010. Buch-Nr.: 39210 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken