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Gerald Hacke

Die Zeugen Jehovas im Dritten Reich und in der DDR. Feindbild und Verfolgungspraxis

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2011 (Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung 41); 457 S.; 58,95 €; ISBN 978-3-525-36917-3
Geschichtswiss. Diss. Dresden; Gutachter: R. Pommerin, R. Marcowitz. – Hacke stellt an den Ausgangspunkt seiner vergleichenden Betrachtung der beiden deutschen Diktaturen eine Opfergruppe. Das erlaubt ihm eine differenzierte Bestandsaufnahme, in der „sowohl Unterschiede, als auch Berührungspunkte und Gemeinsamkeiten“ (386) zu entdecken sind. Mit dieser Perspektive gelingt es ihm, weder das eine Regime zu relativieren noch das andere zu dämonisieren. Mit der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas hat sich Hacke eine Gruppe zum Untersuchungsgegenstand gewählt, die als eine der wenigen „in beiden Diktaturen in toto verfolgt“ (9) wurde. Das Glaubensleben dieser zahlenmäßig unbedeutenden Gruppe, „die zudem wenig Einfluss auf die Gesellschaft hatte“ (401), wurde in beiden Diktaturen politisch gedeutet, so die Erläuterungen des Autors. Dies lag darin begründet, dass eine wie auch immer praktizierte Einflussnahme durch den Staat auf den Einzelnen unwirksam war, weil sich dieser gänzlich und ausschließlich den Regeln seines Glaubens unterwarf. In beiden Regimen wurde einerseits „das Bild von der angeblichen Gefahr, die aus dem Glauben und Handeln der ZJ erwächst, instrumentalisiert“ (398), um andere Bevölkerungsteile zu mobilisieren. Andererseits prägte diese kolportierte Wahrnehmung auch den Umgang staatlicher Stellen mit den ZJ, so das Fazit, insgesamt gewannen so Bedrohungsvorstellungen die Oberhand. In der genauen Darstellung der Verfolgung im nationalsozialistischen Deutschland wie in der DDR nimmt Hacke eine Einteilung in verschiedene Phasen vor, die zusammen einen historischen Bogen ergeben. „Ein offensichtlichtes Charakteristikum der [NS-]Diktatur und des SED-Regimes [...] ist deren zeitliche Aufeinanderfolge. Die zusammengebrochene und zerschlagene ‚Vorgängerin’ war die wichtigste Bezugsgröße für die SED-Herrschaft“ (387). Als wesentlichen Unterschied hält Hacke „die diametrale Dynamik der Diktaturen“ fest, die unmittelbare Auswirkungen auf die Verfolgungen der ZJ hatte: Während diese Dynamik „im Nationalsozialismus in unvorstellbaren Verbrechen eskalierte“ (388), wurden in der DDR nach einem Verbot der Glaubensgemeinschaft und der Inhaftierung Gläubiger seit Ende der 50er-Jahre negatives öffentliches Aufsehen vermieden und ein strafrechtliches Vorgehen immer weiter eingeschränkt.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.31 | 2.312 | 2.314 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Gerald Hacke: Die Zeugen Jehovas im Dritten Reich und in der DDR. Göttingen: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32825-die-zeugen-jehovas-im-dritten-reich-und-in-der-ddr_39205, veröffentlicht am 22.09.2011. Buch-Nr.: 39205 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken