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Jens Kastner / David Mayer (Hrsg.)

Weltwende 1968? Ein Jahr aus globalgeschichtlicher Perspektive

Wien: Mandelbaum Verlag 2008 (Globalgeschichte und Entwicklungspolitik 7); 207 S.; 17,80 €; ISBN 978-3-85476-257-7
Das Jahr 1968 ist eine Chiffre für Krisen-, Protest- und Umbruchsereignisse und -wahrnehmungen ganz unterschiedlicher Art. Deren Interpretation erfolgt im Allgemeinen in zwei divergierenden Lesarten: in einer eher liberalisierungshistorischen oder eher destruktionsgeschichtlichen Sichtweise. Dabei ist der analytische Blick allzu oft auf einzelne gesellschaftliche Gruppen und Milieus (studentischer Protest) und auf nationale Deutungen verengt. Der Vielfalt der Chiffre 1968 wird dies jedoch keineswegs gerecht, zumal dann, wenn man 1968 als Symbol für die weltweite „rebellische Periode von 1966 bis 1975” (23) begreift. Dabei hatte das Aufbegehren aber ganz unterschiedliche Motive. Waren die Studentenunruhen in Deutschland vom Ziel einer Gesellschaftsreform, einer Auseinandersetzung mit der Verstrickung der Vätergeneration in das Dritte Reich und einer verstärkten Politisierung im Blick auf Asien, Afrika und Südamerika (Vietnamkrieg, Postkolonialismus im Senegal, Befreiungsbewegungen in Südamerika) bestimmt, so steht das Jahr 1968 in der Tschechoslowakei für das von außen militärisch beendete politische Experiment eines „Dritten Weges”, im Senegal für eine nicht nur nominelle, sondern auch faktische nationale Unabhängigkeit oder in vielen Staaten Südamerikas für die Auseinandersetzung mit der Militärdiktatur. Steht deshalb die Chiffre 1968 – verstanden als das „lange 1968” von 1966 bis 1975 – für eine weltweite Phase liberalen Aufbruchs, gar für eine Weltwende (im Fukuyama’schen Sinn hin zum „Ende der Geschichte”)? Eine einzige schlüssige Antwort würde die globalhistorische Komplexität unzulässig verengen. Gefragt ist deshalb Multiperspektivität und Multikausalität. Die 13 Beiträge des Bandes werden dem vollauf gerecht. Einige Titelstichworte mögen dies andeuten: Feminismus und Frauenbewegung, Befreiungstheologie, Holocaustdiskurs, Bürgerrechtsbewegung, affirmative Revolte, proletarischer und studentischer Protest.
Klaus Kremb (KK)
Dr., Oberstudiendirektor, Wilhelm-Erb-Gymnasium Winnweiler, Lehrbeauftragter, Fachgebiet Politikwissenschaft, TU Kaiserslautern.
Rubrizierung: 2.2 | 2.22 | 4.1 | 2.61 | 2.64 | 2.65 | 2.67 | 2.68 | 2.23 | 2.27 Empfohlene Zitierweise: Klaus Kremb, Rezension zu: Jens Kastner / David Mayer (Hrsg.): Weltwende 1968? Wien: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32795-weltwende-1968_39166, veröffentlicht am 21.09.2010. Buch-Nr.: 39166 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken