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Eberhard Günter Schulz (Hrsg.)

Schicksal und Bewältigung der Flucht und Vertreibung von Deutschen und Polen. Vorträge und Berichte der Tagungen der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat

Hildesheim/Zürich/New York: Georg Olms Verlag 2009; 319 S.; 48,- €; ISBN 978-3-487-14286-9
Eingeleitet wird dieser Band mit dem Versuch, die Vertreibungen der Deutschen nach Kriegsende auf der Grundlage einer philosophischen Rechtslehre einzuordnen. Schulz, langjähriger Präsident der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat und im August 2010 verstorben, schreibt, dass die Vertreibung dem Weltbürgerrecht und dem philosophischen Staatsrecht widerspreche, alle verantwortlichen Staaten diese als Unrecht verurteilen müssten und den Vertriebenen und ihren Nachkommen eine „Rückkehr in Form einer Zuwanderung zu der jetzt dort ansässigen Bevölkerung erlaubt werden“ (24) müsse. Schulz spricht davon, dass „im polnischen und im tschechischen Volk die Einsicht in den Nutzen der Zusammenarbeit mit dem deutschen Volk im Wachsen begriffen ist“ (28) – man erhält den Eindruck, dass er die osteuropäischen Staaten in einer Bringschuld sieht, auch übersieht er, dass die genannten Länder längst EU-Partner sind. Dieser seltsam abgehobene und an den historischen Realitäten vorbei geschriebene Beitrag steht allerdings nicht Pars pro Toto für die anderen Aufsätze, die auf eine dreiteilige Tagung der genannten Stiftung zurückgehen. Die tatsächlichen, aktuellen Spannungen in den deutsch-polnischen Beziehungen, in denen die Vertriebenen-Problematik immer noch nachwirkt, beschreibt dagegen Thomas Urban, Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, scharf konturiert – und identifiziert weniger die Vertreibungen in ihrer Eigenschaft als historisches Ereignis als Störfaktor, sondern den höchst unterschiedlichen Umgang damit: Während man sich in Deutschland intensiv mit der Vergangenheit beschäftigt habe, sei das polnische Geschichtsbild nach wie vor in sich geschlossen. Den Deutschen werde die Aufarbeitung nicht zugestanden und jede Nennung eines deutschen Opfers als Versuch der Revision der Schuld ausgelegt. Ein gemeinsames Vokabular, um über die Vergangenheit angemessen sprechen zu können, wurde, so der Eindruck, noch nicht gefunden. In weiteren Beiträgen werden die Wahrnehmung der Vertreibung in der Literatur sowie – mit Blick in die Zukunft – die Kooperationen zwischen deutschen und polnischen Städten, Regionen und Institutionen dargestellt – auch abseits der Politik der großen Worte über die Geschichte.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.35 | 2.312 | 2.23 | 2.61 | 4.1 | 4.42 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Eberhard Günter Schulz (Hrsg.): Schicksal und Bewältigung der Flucht und Vertreibung von Deutschen und Polen. Hildesheim/Zürich/New York: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32693-schicksal-und-bewaeltigung-der-flucht-und-vertreibung-von-deutschen-und-polen_39030, veröffentlicht am 30.11.2010. Buch-Nr.: 39030 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken