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Andreas Ufen

Ethnizität, Islam, Reformasi. Die Evolution der Konfliktlinien im Parteiensystem Malaysias

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2012 (VS Research); 307 S.; 34,95 €; ISBN 978-3-531-17404-4
Habilitationsschrift Hamburg. – „Welche Konfliktlinien haben das malaysische Parteiensystem von seinen Anfängen bis heute am stärksten geprägt?“ (15) Diese Frage wird nicht nur in einer empirisch fundierten Analyse beantwortet. Ufen modifiziert und modernisiert zugleich das Cleavage-Modell nach Lipset und Rokkan. Besonders hervorzuheben ist, dass er dies an Beispielen im außereuropäischen Raum leistet und damit die weitreichende Aussagekraft der grundsätzlichen Annahmen dieses Modells illustriert. Ufen arbeitet für die malaysische Situation drei wichtige Konfliktlinien heraus – die ethnischen und religiösen Gegensätze sowie die zwischen Verteidigern des Status quo und Reformern. Über eine Einteilung der Entwicklung des Parteiensystems in sechs Phasen werden zentrale Veränderungen und Schwerpunktsetzungen, die das politische Geschehen im Land wesentlich mitbestimmten und -bestimmen, deutlich. Unterschieden wird zudem zwischen klientelitischen und milieubasierten Parteien; Ufen bestimmt ihren Charakter mittels eines Vergleichs mit den Parteiensystemen in Indonesien und den Philippinnen, außerdem wird zwischen den unterschiedlichen politischen Kulturen in West- und Ostmalaysia differenziert. Der bemerkenswerteste Ausgangspunkt des empirischen Teils ist, dass die geteilte Wahrnehmung der Bevölkerung nach Ethnien auf die britische Kolonialzeit zurückgeht und damals wie in späteren Jahrzehnten der Machtpolitik diente. Ufen attestiert Malaysia – vor allem seit den gewaltsamen Unruhen im Mai 1968 – eine blockierte Demokratisierung und die Entwicklung zu einem elektoralen Autoritarismus; demnach lässt die Regierung eine Öffnung des politischen Systems bei Wahlen nur insoweit zu, wie einerseits ihre Macht nicht gefährdet wird, die Wahlen aber andererseits ihrer Legitimation dienen können. Auffällig ist, dass die ethnische Konfliktlinie von der religiösen überformt wurde, wobei es die Regierung (maßgeblich unter Ministerpräsident Mahathir) verstand, die Islamisierung des Landes zum Teil zu initiieren, maßgeblich zu steuern und damit politisch zu nutzen – der Islam wird instrumentalisiert, um linken Theorien ihre Wirkung zu nehmen und die politische Opposition zu spalten. Die mitunter verwirrende Entwicklung der Parteien und den Versuch, den Oppositionspolitiker Anwar erst einzubinden und dann mit einem Prozess auszuschalten, zeichnet Ufen akribisch nach. Vermittelt werden damit insgesamt tiefer gehende Einsichten über Grundlagen und Verfasstheit des Parteiensystems. Für die gegenwärtige sechste Phase stellt Ufen fest, dass erstmals in der Geschichte Malaysias die – durch die Reformbewegung geprägte – Opposition realistische Chancen hat, die regierende Nationale Front abzulösen.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.68 | 2.22 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Andreas Ufen: Ethnizität, Islam, Reformasi. Wiesbaden: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32481-ethnizitaet-islam-reformasi_38760, veröffentlicht am 26.04.2012. Buch-Nr.: 38760 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken