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Tatjana Rudi

Wahlentscheidungen in postsozialistischen Demokratien in Mittel- und Osteuropa. Eine vergleichende Untersuchung

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2010 (Studien zur Wahl- und Einstellungsforschung 15); 310 S.; 49,- €; ISBN 978-3-8329-4608-1
Diss. Mainz. – Welche Faktoren beeinflussen die Wahlentscheidungen von Bürgern bei Parlamentswahlen in Mittel- und Osteuropa? Die Autorin begründet diese Frage mit einem theoretischen wie auch einem empirischen Defizit: Auf theoretischer Ebene wurde bislang kein strukturiertes Erklärungsmodell entwickelt, welches die Besonderheiten postsozialistischer Demokratien ausreichend berücksichtigt. In empirischer Hinsicht existiert zwar mittlerweile eine ganze Reihe von Analysen, der Mangel an länderübergreifenden komparativen Studien verhindert jedoch bislang allgemeine Aussagen über wahlentscheidende Faktoren in Mittel- und Osteuropa. Beiden Defiziten geht Rudi nach, zum einen durch die Entwicklung eines allgemeinen Modells zur Erklärung von Wahlentscheidungen in postsozialistischen Demokratien, zum anderen durch die vergleichende Gegenüberstellung von insgesamt sieben mittel- und osteuropäischen Staaten in einer empirischen Analyse. Die Autorin zeigt, dass kontextspezifische Erklärungsfaktoren (wie etwa Einstellungen zum alten Regime und zur sozialistischen Idee) insgesamt eine eher nachrangige Rolle spielen – und sich die Begründungen für Wahlentscheidungen gegenüber denen in etablierten Demokratien somit nicht wesentlich unterscheiden. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass derartige kontextspezifische Faktoren implizit im Rahmen der Links-Rechts-Selbsteinstufung der Parteien eine Rolle spielen – und gerade hier zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Ost und West. Von Bedeutung in diesem Zusammenhang sind allerdings vor allem Unterschiede zwischen den untersuchten Ländern, etwa was die Kandidatenorientierungen, die ideologischen Selbsteinstufungen oder die Rolle von Sachfragenorientierungen bei Wahlentscheidungen betrifft. Somit wird deutlich, dass sich nicht ohne Abstriche von einem spezifisch postsozialistischen Kontext sprechen lässt, welcher sich in einheitlicher Weise von den etablierten Demokratien abhebt. Insgesamt handelt es sich um eine detaillierte und anregende Studie, die die weitere Wahlforschung zu Mittel- und Osteuropa sicherlich bereichern wird.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.22 | 2.61 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Tatjana Rudi: Wahlentscheidungen in postsozialistischen Demokratien in Mittel- und Osteuropa. Baden-Baden: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32329-wahlentscheidungen-in-postsozialistischen-demokratien-in-mittel--und-osteuropa_38576, veröffentlicht am 25.10.2010. Buch-Nr.: 38576 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken